Werte ähneln einer Einbahnstraße
Es geht immer um mehr. Eine aktuelle Auseinandersetzung ist nur Anlass. Doch es gibt ein über die Sache hinaus, das sich in Denken und Handeln äußert. Sachfremde Themen fließen in jede Diskussion und in letzter Konsequenz auch in jede Entscheidung ein. Besonders Emotionen spielen dabei eine herausragende Rolle. Die wichtigsten: Sympathie und Antipathie. Beide Gegenspieler steuern einen Großteil im Geschehen des menschlichen Miteinanders. Sie sind das irrationale Fundament, auf dem rationale Begründungen errichtet werden, um sachlich zu argumentieren. Sehr wacklig, aber immer wieder erfolgreich, weil der emotionale Kern von vermeintlicher Logik verschleiert wird. Werte dienen dabei als Zement zwischen den entscheidenden emotionalen Beweggründen und ihren rationalen Erklärungen. Das funktioniert bestens, weil sie selbst binär sind: Logisch nachvollziehbar und zugleich hochemotional. Zudem sind Werte flexibel, wandelbar, anpassungsfähig und mit enormen moralischem Impuls ausgestattet. Gegen Werte lässt sich deshalb kaum argumentieren, weil sie einer Einbahnstraße ähneln. Wer darauf verkehrtherum fährt, riskiert mit großer Wahrscheinlichkeit einen Unfall. Sprich: Wer die gesellschaftlich vorgegebene Richtung von Werten missachtet, wird ziemlich sicher angefahren. Ein Beispiel dafür ist unter anderem die Gleichberechtigung. Ein grundsätzlich wichtiger Wert, der aber dadurch konterkariert und als Druckmittel benutzt wird, dass er Minderheiten ein überproportionales Sprachrohr bietet. Der Wahnwitz des Werteüberschusses gipfelt in der sogenannten gendergerechten Sprache, die durch ihren vollkommen unrealistischen Anspruch, es allen gerecht machen zu wollen, die Sprache selbst missbraucht. Doch Kritiker werden nicht etwa als Bewahrer der Sprache gefeiert, sondern als Gegner der Gleichberechtigung gebrandmarkt. Ende der Diskussion.
Wertegläubige und Werteprofiteure
Überhaupt ist das ein Merkmal wertebasierter Debatten: Sie werden nicht offen geführt, sondern mit hohem Maß an Unehrlichkeit. Vorgeschobene Werte dienen dazu, persönliche Ziele zu erreichen. Zugleich sind sie austauschbar. Nicht, wofür jemand steht entscheidet, was er will, sondern was er will entscheidet, wofür jemand steht. Der Wert eines Wertes liegt demnach in seiner äußeren Nutzbarkeit, nicht in seiner inhaltlichen Aussage. Er bietet weniger Orientierung, als vielmehr eine Möglichkeit, Andersdenkende in die Enge zu treiben. Werte werden wie ein Netz verbunden, um darin Unterstützer zu fangen. Der Trick besteht darin, Werte als Mauer aufzurichten, die dadurch Festgesetzten aber glauben zu lassen, sie würden ihr Leben nach guten Werten ausrichten. Mit Werten wird eine Klassengesellschaft etabliert: Die Wertegläubigen und die Werteprofiteure. Für die einen sind Werte die Leitplanken ihres Lebens, während die anderen diese Leitplanken nicht nur setzen, sondern sich außerhalb der austauschbaren Begrenzungen organisieren.