Sonntag, 25. Februar 2024

Die drei Grundwerte der Menschheit

Das Bild symbolisiert auf drei Ebenen die drei Grundwerte der Menscheit.
Als erstes preschte das linke Spektrum voran. Aus der Umweltbewegung entstand eine Partei, die der Forderung der 68er nach dem Marsch durch die Instanzen Leben einhauchte. Sie machte sich auf und eroberte bald politische Macht – zunächst in den Bundesländern, später im gesamten Staat. Die etablierten Parteien wehrten sich vergebens. Eine neue Zeit brach an, die – wie es zunächst aussah – auch neue Werte schuf. Abgeordnete stellten Blumen auf ihre Pulte und strickten während der Parlamentssitzungen. Sie trugen keine Anzüge und sahen teilweise recht wild aus. Anders eben, mit alternativen Vorstellung von einer Gesellschaft. Ein paar Jahre lang schien es, als würde Deutschland sich erneuern. Die linksalternative Partei eroberte mehr und mehr Macht. Nach Außen übernahmen sie scheinbar Verantwortung, doch nach Innen veränderte der Machtzuwachs sie nach und nach. Die Linksalternativen begannen sich anzupassen, um ihre Macht zu sichern und auszuweiten. Sie rückten unverkennbar in die politische Mitte. Ihr neues Ziel war die bürgerliche Gesellschaft. Sie waren angetreten, die Welt zu verändern und gaben letztendlich ihre Zustimmung, Deutschland wieder kriegstüchtig zu machen. Eine interessante Entwicklung, die zu der spannenden Frage führt: Was ist Macht? 

Nur drei Grundwerte

Der Gedanke liegt nahe, dass Macht ein eigener Wert sein könnte. Doch ist sie Teil der rechtlichen und ethischen Grundlage des Zusammenlebens? Eher lässt sich sagen: Macht erschafft Recht und Regeln, dadurch formt sie unter anderem ethische Grundlagen. Sie ist ein vielschichtiges Konzept etwas zu tun und zu beeinflussen, ein eigener Wert ist sie nicht. Vielmehr dient sie dazu, Werte zu formen und zu erhalten. Denn Werte sind die Konstanten einer Gesellschaft und verbreiten sich seit tausenden von Jahren von Generation zu Generation in der menschlichen Geschichte, während Macht stets in geringen Abständen auf ein Neues vergeben wird. Ähnlich wie Bürokratie das eigentliche Zentrum der Macht im Staat darstellt, errichten Werte das fundamentale Gerüst des Zusammenlebens. Ohne sie könnten Menschen nicht dauerhaft kooperieren und sich weiterentwickeln. Dazu bedarf es insgesamt nur dreier Grundwerte:

1. Der Mensch muss sein Überleben sichern

2. Der Mensch muss das Überleben seiner Gruppe sichern

3. Innerhalb der Gruppe muss der Mensch seinen genetischen Einfluss sichern

Alle anderen Werte leiten sich von diesen drei Grundwerten ab.

Jonglieren mit der Masse an Normen

Wer sich an die Regeln der Robotik von Isaak Asimov erinnert fühlt, liegt damit nicht verkehrt. Die Prinzipien des Zusammenlebens sind, ähnlich naturwissenschaftlicher Gesetze, in ihrer Grundstruktur einfach und elegant. Kompliziert wird die menschliche Gesellschaft erst durch Wachstum und die Welt der Dinge, die sich nach und nach aufbaut, ähnlich der Probleme, die sich in der Mathematik durch das Rechnen mit Unendlichkeiten ergeben. Es gelten plötzlich andere Voraussetzungen. 

Je mehr Menschen zu einer Gruppe gehören, desto weiter müssen sich Werte verzweigen, damit die Grundwerte überhaupt noch erfüllt werden können. Ein klassisches Beispiel für die Differenzierung von Werten sind die zehn Gebote. Aber auch die Gesetzestafeln des Hammurabi zeigen, wie kleinteilig Werte schon in frühen Zivilisationen werden, sobald größere Gruppen und ganze Gesellschaften entstehen. Sogar eine Strafe für das Pantschen von Bier wurde im Kodex Hammurabi geregelt. Heutige Gesetze enthalten tausende von Paragraphen. Ungeschriebene Wertvorstellungen und Kodizes kommen noch hinzu. Interessanterweise jonglieren die meisten Menschen im Alltag mit der Masse an Normen recht geschickt. 

In den Grundwerten sind die Kämpfe der Menschheit angelegt

Von Klein auf sind sie damit konfrontiert und erlernen Verhaltensmuster über Eltern und Umwelt. Auf Anpassung folgt Lob, auf Abweichung Strafe. So verinnerlichen die Menschen Werte, denen sie sich unterwerfen – oder freundlicher formuliert: Von denen sie sich in ihrem Leben leiten lassen. Dabei erleben sie die Werte als unveränderlich und arrangieren sich mit ihnen. Später erstaunt es sie, wenn sie auf andere Lebensweisen stoßen. Oft führt das Aufeinandertreffen zu Konflikten, vornehmlich zwischen verschiedenen Generationen und Kulturen. Dabei sind die Grundwerte für alle Menschen vollkommen identisch. Doch ihre Ausprägungen unterscheiden sich mitunter massiv. Darin besteht der Konflikt zwischen Menschen anderen Glaubens, anderer Nationalität und anderer Gesinnung: Werte werden unterschiedlich gedeutet, gelebt und ausgelegt. Dabei verweisen sie auf den Kampf des Individuums und seiner Gruppe um Ressourcen. Denn Überleben und genetischer Einfluss lässt sich nur mit ausreichend Energie sichern. So sind in den Grundwerten bereits die Kämpfe der Menschheit angelegt – und auch der Geltungsbereich der meisten Werte. Sie werden eben nur auf das Zusammenleben in der Gruppe angewendet. Für das Zusammentreffen mit anderen Gruppen gelten erweiterte Werte, beispielsweise das Gastrecht. Dabei gilt: Je besser es einer Gruppe geht, desto geneigter ist sie, Fremde aufzunehmen und zu bewirten. Werte sind ein Phänomen des Wohlstandes und bröckeln beim kleinsten Verfall. Am ehesten spüren das Menschen außerhalb einer Gruppe. Letztlich geht es alleine um die Verteilung von Ressourcen, die auch durch den Rückgriff auf Werte geregelt wird. Denn entscheidend ist einzig das Überleben des Einzelner, der Gruppe und der genetischen Informationen.

Mittwoch, 14. Februar 2024

Die Krise der westlichen Werte

Chaos in einem fiktiven Plenarsaal, durch den ein Reiter mit einem Pferd jagt und überall Rauch quillt.
Das führt zu den sogenannten westlichen Werten. Im Kalten Krieg schlossen sich Teile Europas mit den Vereinigten Staaten und weiteren Partnern zu einer Allianz zusammen. Im Kern ein militärisches Bündnis, verband die Staaten aber auch der gemeinsame Kapitalismus sowie ein recht konformes politisches und kulturelles Selbstverständnis. Vor allem christliche Werte boten dafür einen Orientierungsrahmen, auf den sich die Staaten weitgehend verständigen konnte. Die Klammer lieferte der Kampf gegen den Kommunismus, der im Wesentlichen jedoch ein Wettlauf um Ressourcen, besonders um Öl war. Werte wurden im großen Stil über die Kultur- insbesondere die Filmindustrie vermittelt. Das Massenmedium Fernsehen trug stark dazu bei, den Menschen ein weitgehend einheitliches Denken nahezubringen. Das geschah nicht durch staatlich gelenkte Propaganda, sondern durch die Macht des Marktes, die ein Gespür dafür entwickelte, Konsumenten auf die richtige Weise anzusprechen, um ihre Massenwaren abzusetzen. 

Das Aufblühen des Westens schuf eine neue Art von Kolonialismus

Weil die westlichen Werte anscheinend funktionierten, zogen die meisten Menschen mit. Sie mussten sich nur verpflichten, fleißig zu arbeiten und die staatliche Autorität nicht in Frage zu stellen. Im Gegenzug erhielten sie einen bisher nicht gekannten Wohlstand. Ein Deal, der einfach und verständlich genug für die Masse war. Doch er beinhaltete einige kleingedruckte Absätze, die zwar kaum jemand zur Kenntnis nahm, die jedoch trotzdem wichtig sind, um das Dilemma der heutigen weitgehend wertefreien Gesellschaft zu verstehen. Das bewusst Kleingedruckte schloss Menschen außerhalb der westlichen Welt von den Werten der kapitalistischen Industrieländer aus und erlaubte ihre Ausbeutung oder verschloss zumindest die Augen davor. Es besiegelte einen Pakt, dass der Wohlstand eines Teils der Menschheit auf Kosten des anderen Teils entstehen darf. Schlimmer noch: Dass alle Kämpfe des Kalten Krieges auf dem Rücken dieser Ausgeschlossenen ausgetragen werden. Das erneute Aufblühen des Westens ermöglichte eine neue Art von Kolonialismus. Nach außen autonome Staaten wurden in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit gehalten, die notfalls auch militärisch durchgesetzt werden konnte, während die westliche Bevölkerung an freundschaftliche Beziehungen zu diesen Ländern glaubte. Medien bestärkten diesen Glauben durch ihre recht unkritische Berichterstattung. 

Der Staat konnte nicht mehr unumwunden agieren

Die westlichen Werte galten also nur bis an die Grenzen des Bündnisses. Darüber hinaus herrschte in weiten Teilen der Welt Chaos und Gewalt. Offensichtlich und beispielhaft steht dafür der Krieg in Vietnam. Die Vereinigten Staaten waren sich damals ihrer Stärke auch als führende Kulturnation dermaßen sicher, dass sie eine kritische und weitgehend objektive Berichterstattung über die jahrelange Kämpfe zuließen. Das Ergebnis war ein Aufschrei in der westlichen Welt, der erstmals sehr drastisch vor Augen geführt wurde, mit wieviel Blut ihr Wohlstand tatsächlich erkauft wurde. Die Revolten der sogenannten 1968er brachen los und forderten ein Umdenken. In Deutschland setzte ein langsamer Prozess des Wertewandels ein, auch wenn die Demonstranten zunächst gewaltsam auseinandergetrieben wurden. Der Staat reagierte mit ohnmächtiger Wut auf das Ansinnen, Veränderungen einzuleiten. Teile der Aktivisten wiederum radikalisierten sich daraufhin, um ihre Ideen gegen staatliche Gewalt durchzusetzen. Der kollektive Strom wurde von der Polarisierung der Gesellschaft angetrieben. Einmal aufgebrochen, verlor die staatliche Autorität zunehmend an Einfluss, auch wenn sie sich mit schärferen Gesetzen dagegen zur Wehr setzte. Weitere Kräfte setzten dem angeschlagenen Staat zu: Frauen forderten Gleichberechtigung und ein Recht auf Abtreibungen, Menschen wehrten sich gegen die Speicherung ihrer Daten, Atomkraft und die Stationierung von Atomwaffen und es sprossen sogenannte „Dritte Welt Projekte“ aus dem Boden. Der Staat konnte nicht mehr so unumwunden agieren, Werte verschoben sich, doch war das Engagement der Bevölkerung hauptsächlich auf ihre eigene Situation bezogen. Die westlichen Staaten lebten auch weiterhin auf Kosten anderer Menschen und Nationen. Obwohl das Volk durchaus kritischer dachte. Die Mühlen des kollektiven Stroms malen langsam. Gesellschaftliche Kräfte aus dem gesamten politischen Spektrum brachten sich teils offen, teils verdeckt in Stellung und warteten darauf, dass ihre Zeit anbrach.

Mittwoch, 7. Februar 2024

Emotionale Meinungsbildung

In der Gesellschaft gibt es kaum sinnvolle Auseinandersetzungen, sondern eher einen Schulterschluss von Medien, Wirtschaft und Politik.
Lassen sich die Werte eines Staates als die Gesamtheit aller Werte seiner Bürger definieren? Sicherlich nicht. 

Orte der Arbeit

Aber wie in einer Demokratie jeder Wahlberechtigte über eine Stimme verfügt, so kann auch jeder Mensch seine ureigenen Werte in der Gesellschaft zur Diskussion stellen. Das geschieht über Familie, Freunde, Gruppen, Vereine, Parteien und Organisationen. Jedes öffentliche Verhalten spiegelt Werte wider und legt sie auf diese Weise anderen nahe. Ein großer Multiplikator von Werten sind selbstverständlich Orte der Arbeit, an denen viele Menschen täglich zusammenkommen. Dort prägt das eigene Verhalten die Atmosphäre mit, in der Arbeit stattfindet. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang Medien, deren Reflektionen Werte bei jedem Beitrag gewichten und verbreiten. Dabei transportieren sie die Werte ihrer Mitarbeiter, Nutzer, Eigentümer und Objekte der Berichterstattung. 

Freiwillige Gleichschaltung der Medien

Gerade die klassischen Medien durchleben aktuell einen großen Wandel. Sie verlieren ihre Stellung als zentrale Instanz der Meinungsvielfalt – oder als sogenannte vierte Gewalt im Staat. Denn die Sozialen Medien laufen ihnen den Rang ab. Dabei waren bereits gedruckte Zeitungen ein flüchtiges Gut. Nachrichten kamen und gingen. Immerhin wurde manche Debatte in den Medien ausgefochten. Meinungsbildung war allerdings schon immer ein wirtschaftliches Produkt und als solches den Bedingungen des Marktes unterworfen. Manche Anzeige wurde aus Unmut über die Berichterstattung zurückgezogen und meist knickten die Medien ein, sobald große Unternehmen Konsequenzen zogen. Prominente Anzeigenkunden durften mit wohlwollender Berichterstattung rechnen. Hinzu kam die zunehmende Konzentration der Verlage. Die Macht der Medien lag nur noch in wenigen Händen. Auch Fernsehen und Rundfunk hinzugerechnet, blieb von der vielgerühmten Presse- und Meinungsfreiheit nicht mehr viel übrig. Zu sehr orientierte sich die Medienlandschaft angesichts der Macht weniger Konzerne auf die kommerziellen Aspekte ihres Daseins. Ihren Bildungsauftrag vernachlässigte sie mehr und mehr zugunsten schlichter, aber lukrativer Unterhaltung. Experimente beschränkten sich darauf, mit möglichst wenig Einsatz die höchsten Einnahmen zu erzielen. Selbst Nachrichtenmagazine vermittelten seit Mitte der 1990er Jahre mit Aufkommen des sogenannten Infotainment Meldungen nur noch häppchenweise, mit vielen bunten Grafiken und Bildern garniert. Natürlich gab und gibt es Ausnahmen. Doch spätestens mit der weitgehend unkritischen Berichterstattung zur Pandemie und den einschränkenden Maßnahmen, die wie eine freiwillige Gleichschaltung der Medien wirkte, zeigt sich die eher staatstragende als kritische Funktion der vierten Gewalt. Gerade als Werte bildende Instanz hat sie in Zeiten der Krise vollkommen versagt. Die Vermutung liegt nahe, Ursache sei ihre vor allem wirtschaftliche Ausrichtung als Medienunternehmen. Es lässt sich nicht leugnen, dass sie im eigenen Interesse die Konsumorientierung der Menschen fördert und Teil der Kulturindustrie ist. Demnach verfolgt sie eher ihre eigenen Interessen, die primär darin bestehen, einen verlässlichen Staat mit kaufkräftigen Kunden zu unterstützen. Es gibt kaum Auseinandersetzungen zu kritischen Themen. Zu beobachten ist eher ein Schulterschluss von Medien, Wirtschaft und Politik. Der zentrale Wert, der auf diese Weise vermittelt wird, ist die Beachtung des eigenen Vorteils. Niemand in der Medienlandschaft stößt eine ernsthafte Debatte unter anderem über deutsche Kriegsbeteiligungen, den schleichenden Niedergang des Landes, das Scheitern der Integration und die Bevormundung durch Minderheiten an. Keiner fahndet nach Ursachen für das Erstarken des Extremismus.

Werte müssen keine positiv besetzten Eigenschaften haben

Eine Auseinandersetzung mit diesen Themen wird inzwischen an anderen Orten geführt. In den Sozialen Medien, die von Menschen befeuert werden, denen politisch korrekte Sprache ein Gräuel ist. Sie posten rundheraus ihre Wut, finden Publikum und beeinflussen damit das Denken im Land. Das ist keine professionelle Meinungsbildung, sondern eine emotionale. Behauptungen werden aufgestellt, Meinungen vertreten und auf Hintergrundinformationen meist verzichtet. Es geht nicht darum, abzuwägen, offen zu diskutieren und zu gemeinsamen Schlussfolgerungen zu gelangen. Ziel ist es, zu Polemisieren und andere von der eigenen Meinung zu überzeugen, Hetze eingeschlossen. Das Versagen der deutschen Gesellschaft, Werte zu schaffen und ihre Bürger von ihnen zu überzeugen,  wird hier sehr deutlich vor Augen geführt. In den Sozialen Medien sind diejenigen besonders aktiv, die sich nicht mehr zugehörig fühlen – und es werden mehr. Der kollektive Strom malt auch dort. Er bringt Werte wie Deutschtum, Nationalismus, Antisemitismus, Gewaltverherrlichung, Totalitarismus, Militarismus und einiges mehr hervor. Und ja, auch das sind Werte, die in einer gewissen Art von Gesellschaft oberste Priorität haben können. Wir nehmen sie nur nicht unbedingt als Werte wahr, weil das Wort „Wert“ zumeist mit positiv besetzten Eigenschaften assoziiert wird. Doch wie auch „Gut“ und „Böse“ nicht eindeutig definiert werden können, lassen sich auch Werte nicht allein der „hellen“ oder „dunklen“ Seite der Macht zuordnen. Werte sind, was Menschen als solche anerkennen.