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Montag, 5. Juni 2023

Manchmal ist Freiheit mit Händen zu greifen

Das abstrakte Bild nähert sich dem Begriff der Freiheit durch das Undefinierbare seines Ausdrucks
Es lassen sich kaum verlässliche Aussagen über Freiheit treffen. Sicher ist lediglich, dass fast jeder etwas anderes darunter versteht und sich das Verständnis von Freiheit je nach gesellschaftlichem Milieu, Kultur und Region unterscheidet. Heutzutage müssen natürlich auch Onlinewelten mitgedacht werden, in denen sich Freiheit wieder anders darstellt.

Die einfachste Definition wäre sicherlich: Freiheit heißt, ohne jede Einschränkung alles tun zu dürfen. Doch die Frage stellt sich: Ist das Freiheit oder Anarchie? 

Freiheit kann auch bedeuten, freiwilligen Verzicht aus Rücksichtnahme zu üben. Also geht es eher um den freien Willen? Ist Freiheit gar eine virtuelle Fantasie?

Der Geist kann nachklingen

Nicht ganz, aber möglicherweise auch. Die körperliche Freiheit ist fest in der physischen Welt des Hier und Jetzt verankert. Entsprechend kann sie auch in dieser Welt, zu dieser Zeit genommen werden – durch Krankheit, Alter oder bewusste Einengung, zum Beispiel in Form einer Haftstrafe. Aber eben nur in dieser Welt und nur in einem sehr kleinen Abschnitt der Geschichte – der Lebensspanne des betroffenen Menschen. Nicht vorher und auch nicht darüber hinaus.

Der Geist ist dagegen ein anderes Kaliber. Er kann aus dem Körper, der ihn beherbergt, nährt und transportiert, heraus wirken. In räumlichen, wie auch zeitlichen Dimensionen. Wenn der Körper längst begraben ist, kann der Geist noch nachklingen und dadurch Einfluss auf eine spätere Gegenwart nehmen. Er schlüpft dazu in andere Körper, die ihn zwar nicht im eigentlichen Sinn am Leben erhalten, aber als Container seiner einstigen Gedanken dienen. Bücher sind so ein Ersatzkörper, Videos und zukünftig wahrscheinlich auch Avatare. 

Geistige Freiheit ist Überschreitung von Grenzen

Zwar haben diese Abbilder des früheren Geistes kein Bewusstsein, aber sie bewahren die Erinnerungen. So können die Menschen auch heute noch Bekanntschaft mit Johann Wolfgang Goethe und Franz Kafka machen oder von den Vorlesungen des extravaganten Physikers Richard Feynman lernen. Auch die Gedanken in persönlichen Tagebüchern machen oft eine Zeitreise und werden erst nach Jahrzehnten wiederentdeckt. Fotos haben einen deutlich geringeren Effekt. Sie teilen die Lebensumstände, Mode und Beziehungen mit, aber kaum die Gedanken und Ideen der abgebildeten Menschen. Es ist der Geist, der über Grenzen hinweg berührt.

Ist also auch der Geist der Ort der Freiheit? In gewisser Weise. Es gibt Menschen, die sich unglaublich frei fühlen, wenn sie ihren Körper bis zur Erschöpfung verausgaben. Aber diese Freiheit scheint darin zu bestehen, den Körper sozusagen auszuschalten, indem er überanstrengt wird. Geistige Freiheit ist etwas anderes. Sie besteht gerade in der Überschreitung von Grenzen und dem Weiterdenken hinter scheinbar unüberwindlichen Barrieren. Der Geist kann müde werden, doch ist er nie dermaßen erledigt, wie der Körper nach großer Anstrengung.

Der Körper ist der Pragmatiker, der Geist ein Träumer

Wenn der Körper versagt, aber der Geist hellwach ist, können sich einem Menschen trotzdem große Welten quer durch Raum und Zeit erschließen. Umgekehrt leistet ein athletischer Körper mit eingeschränktem Geist kaum alltäglichen Aufgaben. Außerdem ist es der Geist, der von Freiheit träumt. Der Körper träumt von regelmäßigem Essen als Teil der notwendigen Lebensgrundlagen, über die sich der Geist zumindest eine Zeitlang hinwegsetzen kann.

In der Beziehung zwischen Geist und Körper ist der Geist ein Träumer, während dem Körper die Rolle des Pragmatikers zufällt, der sich um die Energie für beide kümmert. Ein undankbarer Job. Am Ende fällt er dem Vergessen anheim, während der Geist manchmal sogar erst nach seinem physischen Tod in Aufzeichnungen, Einträgen oder anderen Datensammlungen entdeckt wird. Seit der Erfindung der Schrift ist dem Geist, der sich zu Lebzeiten mitteilt, nahezu Unsterblichkeit beschieden.

Körperlose Onlinewelten

Kein Wunder also, dass er nach Freiheit strebt. Nach der Freiheit, sich mitzuteilen: Redefreiheit, Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit, Versammlungsfreiheit, die Freiheit, sich jederzeit mit anderen Menschen auszutauschen. 

Es ist die Freiheit, den eigenen Körper zu verlassen. Das Joch alles Lebendigen hinter sich zu lassen, auch oder vielleicht vor allem die notwendigen Lebensgrundlagen und sich auf das rein Geistige zu fokussieren: Träume, Fantasien, Ideen, Visionen, Utopien oder einfach ein neues Leben in den körperlosen Onlinewelten, die nur aus Geist bestehen, der sich in Nullen und Einsen, in Bits und Bytes manifestiert (allerdings nicht ganz frei von Materie, denn er braucht dazu eine Menge Elektrizität).

Freiheit wird missverstanden

Die Frage stellt sich allerdings: Ist umfassende Freiheit nicht zu unbestimmt? Von was oder wem soll Freiheit gewährt werden, wohin strebt sie, auf was wird sie gerichtet, wen schließt die Freiheit ein, wen schließt sie aus? Es ist relativ leicht, gemeinsam eine Mauer einzureißen und damit körperliche Freiheit zu erringen. Dagegen musste ein Künstler wie Vincent van Gogh für die Freiheit malen zu dürfen, wie er die Welt sah und empfand, einen hohen Preis in Form von Armut, Einsamkeit und gesellschaftlicher Verachtung bezahlen. Er war vielleicht geistig frei in seinen eigenen Vorstellungen, körperlich und psychisch aber in der Welt der Bürger größten Strapazen ausgesetzt. Er war nicht richtig in dieser Welt und seine Freiheit wurde missverstanden.

Was also ist diese Freiheit, die so schwer zu finden und noch schwerer zu erringen ist? Sie ist nichts. Nichts, bevor sie sich nicht als Idee im Geist eines Menschen manifestiert. Damit ist sie ein ganz persönlicher Wert – aber manchmal wird aus einer freiheitlichen Idee eine Massenbewegung, aus dem persönlichen Wert das Ideal einer Generation. Dann können Mauern stürzen, Nationen wanken, Grenzen verschoben werden und neue Gesellschaftsformen entstehen. Für einen Moment gerinnt Freiheit durch Masse und ist mit Händen zu greifen – bevor sie wie Sand durch die Finger der Menschen rieselt und klanglos vergeht.

Samstag, 20. Mai 2023

Ein Bekenntnis zu umfassender Gemeinsamkeit und Gemeinschaft

Die Gemeinschaft muss durchdrungen werden wie ein Dschungel, um das Beste aus ihr zu ziehen

Neue Werte müssen die Gegenwart repräsentieren und in die Zukunft weisen, statt in die Vergangenheit. Denn die Vergangenheit erscheint nur deshalb besser, weil sich das scheinbar Gute in sie hineininterpretieren lässt. Aus diesem Grund kann sie jeder für seine Sichtweisen und Zwecke benutzen. Doch wer die Vergangenheit gebraucht, um in der Gegenwart zu leben, ist unglaubwürdig, wenn nicht sogar ein ausgemachter Schwindler. So schön die Vergangenheit auch rückblickend erscheinen mag, so unerträglich gegenwärtig war sie auf jeden Fall in ihrer Gegenwart. Archive geben Zeugnis von den Sorgen und Nöten der Menschen in der guten alten Zeit.

Das Leben von heute passt nicht zu den Werten von gestern

Es gibt also kein Entkommen aus der Gegenwart, außer in rührseligen Gedanken. Werte müssen deshalb gegenwärtig sein, damit sie für heutige Menschen von Nutzen sind. Das bedeutet nicht, frühere Werte zu missachten und nicht mehr zu berücksichtigen. Im Sinne einer Entwicklung müssen sie allerdings neu verhandelt werden. Der berühmte Satz in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechten lautet zwar: „Der Menschen wird frei und gleich an Rechten geboren und bleibt es.“ Doch gemeint waren damit damals vor allem weiße männliche Wesen. Würde dieser wichtige Satz heute noch so ausgelegt wie 1789, würde es vermutlich einen Aufschrei geben, denn das Denken heutzutage ist bemüht, keine farbigen und weiblichen Menschen auszuschließen. Auf den Punkt gebracht: Vieles aus der Vergangenheit ist gut, die Gegenwart aber aktueller. Niemand, auch nicht der rückwärtsgerichtete Reaktionär, will zum Beispiel auf moderne medizinische Versorgung verzichten. Die passt aber nicht zu den Werten von gestern.

Der Schlummer der Untätigkeit 

Werte neu zu verhandeln, verursacht Aufruhr. Weshalb wichtige Werte für diesen Prozess Toleranz und Gewaltfreiheit sind. Auch Zuhören sowie Bereitschaft zur Veränderung gehören sicherlich dazu. Was geschehen kann, wenn diese Werte fehlen, haben sowohl die französische, als auch die russische Revolution gezeigt. Chaos und Gewaltexzesse stürzten beide Ländern in eine elende Zeit und lange Leidensperiode.

Die organisatorischen Werte setzen den Rahmen für das gesellschaftliche Aushandeln neuer grundlegender Werte des Zusammenlebens, die so etwas wie ein Weltgewissen sein sollten. Eine Bekenntnis zu umfassender Gemeinsamkeit und Gemeinschaft.

Der Rahmen ist durchaus wichtig für die Betrachtung der äußeren Welt. Denn er lenkt die Blicke auf den Ausschnitt, den die Betrachter sehen und nimmt dadurch entscheidenden Einfluss auf den zu verhandelnden Gegenstand. Schon Georg Wilhelm Hegel hat erklärt: „Durch Gewöhnung oder Tradition wurde der größte Unsinn für Vernunft und schändliche Torheiten für Wahrheit gehalten.“ er plädierte dafür, die eigene Meinung immer wieder kritisch zu hinterfragen und zu prüfen. „Dies soll uns aus dem Schlummer der Untätigkeit wecken.“

Notwendige Lebensgrundlagen weiten sich aus

Dazu bedarf es einmal mehr der Notwendigkeit. Es muss die Zeit gekommen sein für neue Werte. Wann ist eine Notwenigkeit gegeben? Spätestens, sobald es der Masse an der notwendigen Lebensgrundlage fehlt. Eine Zeit des Mangels ist auch stets eine Zeit der Umbrüche. Doch noch etwas anderes führt zu Veränderungen: Eine neue und notwendige Lebensgrundlage. Was soll das sein? Bisher war die notwendige Lebensgrundlage definiert als Nahrung, Wohnung und Kleidung. Brauche die Menschen mehr? Mit fortschreitender Entwicklung haben sich die notwendigen Lebensgrundlagen ausgeweitet. Heute zählen zum Beispiel auch Bildung und Kultur dazu. Jede Erweiterung brachte neue Werte mit sich. Die Mobilität durch die Bahn und noch mehr das Auto hat die Gesellschaft ab den 1950er Jahren vollkommen umgekrempelt. Eine neue Lebensweise wurde geprägt. Die Menschen pendelten zur Arbeit und zurück. Städte wurden zu autofreundlichen Ballungszentren. Der allgemeine Aktionsradius vergrößerte sich rapide. Dadurch wurde die Gesellschaft zusehends geprägt. Bis hin zu Mode und Sprache hielt die Mobilität Einzug in das Leben der Menschen. Das eigene Auto oder zumindest ein guter Anschluss an den öffentlichen Nah- und Fernverkehr wurde zu einer notwendigen Lebensgrundlage.