Schätze sollen den Menschen in die Zukunft tragen
Die Dinge, mit denen sich der Mensch umgibt, stehen ihm
vielfach näher als die Anderen. Bei
ihnen fühlt er sich wohl. Mit Dingen belohnt er sich. Sie machen zwar Arbeit,
aber von ihnen geht keine direkte Gefahr aus. Konsumieren ist auch Handeln – beides
geht ineinander über, zum Beispiel beim Aufbau eines Gartenhauses oder einer
Modelleisenbahnanlage. Indem er sein Umfeld mittels Konsums und Handeln formt,
gibt der Mensch seinen Träumen eine Gestalt. Das Wolkenkuckucksheim wird in
gewissem Sinn real – und sei es nur als modellierte Wirklichkeit. Die Anderen sind
ausgeschlossen. Zutritt bekommen nur handverlesene Vertraute. Auf diese Weise
erschafft der Mensch etwas, das er Heim nennt, in dem er schalten und walten
kann, wie es ihm beliebt. Alle Dinge erhalten über ihre reine Funktion hinaus
eine persönliche Bedeutung. Sie werden aufgeladen mit Erinnerungen und
Emotionen. Sich von ihnen zu trennen, fällt schwer. Es sind die Dinge, die den
Menschen überleben und in ihrer Gesamtheit seine Hinterlassenschaft an die Welt
bilden. Sein Anker in der Unendlichkeit. Zu Lebzeiten hortet er Schätze, die
seinen Namen in der Zukunft erhalten sollen. Das ist seine Verbindung mit der
Welt der Anderen. Nachkommen sichern zwar sein genetisches Überleben – aber nur
die Dinge sind mit seinem Handeln und Wirken verbunden.
Einsam denkend, hemmungslos handelnd
Schon Hegel wusste, dass der Wille seinen Zweck durch das
Bedürfnis erhält, dessen Befriedigung der Mittel bedarf, die direkt hinein in
die Welt führen, da sie in äußeren Dingen bestehen, die Eigentum oder Produkt
anderer sind. Der Einzelne betritt die Welt der Allgemeinheit nur deshalb, weil
er in seiner einsamen Bedürftigkeit nach den Mitteln zu ihrer Befriedigung
sucht. Aus diesem Grund entstand der Handel. Dinge wurden herangeschafft, um
die Bedürfnisse Dritter zu erfüllen. Dabei erkannten die Menschen bald: Je mehr
Dinge sie anbieten, desto schneller wachsen die Bedürfnisse. Nachfrage entsteht
vor allem durch das Wissen um Eigentum und Produkte anderer. Indem sie ihm einfachen
und sicheren Zugang zu ihren Errungenschaften gewährt, nimmt die plurale Welt Einfluss
auf den Willen des Einzelnen. Werte
entstehen zur Organisation und zum Schutz dieses komplexen Vorgangs genauso,
wie zur Absicherung individueller Interessen gegenüber der Allgemeinheit. Sie dienen
gleichermaßen als Vermittler und Bollwerk zwischen Geist und Materie, dem einsam
Denkenden und dem hemmungslos Handelnden. Der Mensch ist immer beides und
braucht deshalb Werte auch und vielleicht sogar insbesondere zur
Disziplinierung seiner eigenen widerstreitenden Gefühle. Ohne Werte würde er
seine Bedürfnisse vermutlich noch stärker auf Kosten der Allgemeinheit befriedigen,
als es schon jetzt der Fall ist.
Menschliche Phantasie dichtet Dingen Werte an
Können Dinge Träger von Werten sein? Auf jeden Fall ist ihnen
ein individueller materieller Wert zu eigen. Je nach Güte, Menge, Material und
Eigenschaften wird er festgelegt und variiert im Lauf der Zeit. Es ist
allerdings kein unabhängiger, neutraler, dem Ding innewohnender Wert, sondern
ein von Menschen ermittelter und vergebener Preis, der sich vor allem danach
bemisst, wie sehr ihresgleichen das Ding besitzen wollen. Ebenso verhält es
sich mit immateriellen Werten, die einem Ding anhaften können. Menschen
verleihen ihm wunderbare Eigenschaften, über die es selbst in keiner Weise verfügt
und die es auch nicht für sich in Anspruch nimmt. Beispielsweise wahrhaftig zu
sein, Gut von Böse unterscheiden zu können oder mystische Kräfte zu verleihen. Aber
ein Stein ist weder mutig noch ehrlich, nicht kreativ und auch nicht fürsorglich.
Er ist ein Stein, der sich möglicherweise zu einem speziellen Zweck benutzen
lässt, der aber, nur weil ein Mensch einen anderen mit ihm erschlägt, keine
negativen Eigenschaften hat und auch keinen Wert an sich, weil er Teil eines
Hauses wird. Menschen geben ihm seinen Zweck und formen ihn zu ihrem Gebrauch. Sie
dichten ihm vielleicht Zauberkräfte an und führen geheime Rituale mit ihm aus. Doch
der Stein bleibt dabei dieser eine Stein, ganz gleich viele Vorstellung
menschliche Phantasie mit ihm verbindet. Dinge können also keine Träger von
Werten sein. Sie wissen weder, dass es Werte gibt, noch was Werte sind. Nur der
menschliche Geist stellt mitunter eine Verbindung zwischen ihnen und seinen
eigenen Ansichten her, um sie in sein Reich einzubeziehen. Dabei entwickelt er
Werte, die Bezug zu Dingen haben, zum Beispiel ist „stahlhart“ solch ein Wert
oder auch „flink wie ein Wiesel“. Die Dinge stehen dabei aber nur für die ihnen
zugeschriebenen Eigenschaften und haben ansonsten keinen Bezug zu dem mit ihnen
verbundenen Wert.