Posts mit dem Label Geld werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Geld werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 17. Mai 2023

Freiheiten verschwinden klammheimlich

Wie die Ritter auf diesem Bild, müssen sich Menschen für die Verteidigung ihrer Freiheiten rüsten
Das ist ein Widerspruch des gängigen Freiheitsverständnisses. Gilt der Einzelne in der westlichen Gesellschaft doch als weitgehend frei. Dabei wird allerdings vergessen, dass Freiheit immer nur im gesellschaftlichen Rahmen gewährt werden kann. Um diesen Rahmen herum wird allerdings viel getan, um die Illusion von Freiheit entstehen zu lassen und aufrecht zu erhalten. So wählt der Einzelne selbst, wieviel Zwängen er sich aussetzt und wie hoch er die Mauern um sich her aufrichten möchte. Dabei gilt: Je mehr Teilhabe an den Angeboten der Gesellschaft, desto größer die geforderte Anpassung und damit einhergehende Einengung. Denn die Leistungen der Gesellschaft, wie zum Beispiel Sicherheit, kosten die Freiheiten der Bürger.

Die Gesellschaft muss sich ständig zeigen

Der Einzelne trifft seine Wahl und verstrickt sich damit immer tiefer im Netz der Gesellschaft, das manchmal auch als bequeme Hängematte bezeichnet wird. Doch auch eine Hängematte ist bei genauerer Betrachtung ein Netz. Er fügt sich, indem er Kredite aufnimmt, ein Haus baut, Familie gründet. Von da an hat er keine Wahl mehr. Der Mensch muss in der Gesellschaft funktionieren, um seine Verpflichtungen zu erfüllen und sein Leben fortführen zu können. Ansonsten wird er schleichend herausgedrängt.

Im Gegenzug ist die Gesellschaft omnipräsent. Sie muss sich ständig zeigen, damit die Menschen an sie glauben. Denn ein Staatsgebilde ist ohne den Glauben der Masse schlichtweg nicht existent. So etwas wie eine Nation denken sich die Menschen ja nur aus. Ohne ihren Glauben an ein solches Konstrukt gibt es den Nationalstaat nicht. Deshalb müssen auf öffentlichen Gebäuden Fahnen wehen, müssen Polizisten in Uniform durch die Straßen laufen, müssen Medien ständig berichten. Wenn der Staat im Gespräch ist, versichert er sich seiner eigenen Existenz und zeigt sie vor den Leuten. Die Umwandlung von einer bloßen Idee zu einem Konstrukt, das Bestand hat, findet in den Köpfen der Menschen statt. Nur solange sie daran glauben, dass ihre Handlungen, beispielsweise das Mitführen eines Personalausweises und das Einhalten von Gesetzen, einen Nutzen haben, ist der Staat existent und Leute werden zu seinen Bürgern.

Es bleibt nur die Freiheit des Konsumierens

Die Menschen gehen einen Deal mit sich selbst ein, wie sie auch, wenn sie einen Gott anrufen, zu sich selbst beten. Der Deal lautet: Gebe Freiheit gegen Teilhabe und Schutz. Vielleicht meinen die Menschen diesen Deal, wenn sie davon sprechen, ihre Seele dem Teufel zu verkaufen, denn sie lassen sich auf einen Pakt ein, der ihnen in der Masse materiellen Wohlstand gegen geistige Armut einbringt. Natürlich gibt es Bildung und entsprechende Einrichtungen zur Vermittlung von Wissen. Aber die sollen Bürger nur lehren, was sie im Sinne des Systems wissen müssen. Nicht von ungefähr werden die Universitäten ohne viel Aufhebens - und, bemerkenswert, ohne großen Protest - von einem Hort des freien und kritischen Denkens zu mehr oder weniger weiterführenden Schulen degradiert. Obwohl die meisten Studenten schon vorher selten über den Tellerrand ihres Lernpensums geschaut haben, hätten sie aber wenigsten die Möglichkeit dazu gehabt, was den heutigen Studenten fast vollkommen verwehrt bleibt.

Freiheiten verschwinden klammheimlich im Dschungel der Bürokratie. Im Grunde bleibt nur eine Freiheit erhalten, die auch von Staat und Gesellschaft nach Kräften gefördert wird: Die Freiheit des Konsumierens. Diese Freiheit meinen Menschen auch, wenn sie davon sprechen, frei zu sein. Denn in diesem Bereich haben sie tatsächlich alle Freiheiten, vorausgesetzt, sie verfügen über ausreichend Geld. Was das Pendel in den Bereich der Scheinfreiheit ausschlagen lässt.

Die Reaktion auf gesellschaftliche Leere

Die Werte einer Gesellschaft wandeln sich mit ihrem Entwicklungsstadium. Eine Aufbauphase charakterisiert sich durch Fleiß und hohe Arbeitsmoral. Wohlstand wird geprägt von Überschuss und vermehrtem Besitz. Die Konsumgesellschaft geht über diese Abschnitte hinaus. Sie ist eine Phase der Stagnation, in der es kaum Visionen und gesellschaftliche Ziele gibt. Es bleibt nur, das zu erhalten und auszubauen, was längst da ist. Im Grunde eine Phase großer Langeweile, in der Angst vor dem Abstieg umgeht, sich aber niemand verantwortlich fühlt, den Status quo zu verändern. Schließlich geht es allen mehr als gut. 

Der Konsumismus ist die Reaktion auf gesellschaftliche Leere, in der niemand inhaltlich etwas beizutragen hat, weil keinem anderes einfällt, als stur weiterzumachen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Der Staat wir nur noch verwaltet, er ist nicht mehr zu Innovationen fähig.

Welche Werte bringt der Konsumismus hervor? Den Wert des Materialismus. Geld wohnt ein Zauber inne. Alles ist käuflich. Auch Gesundheit und Jugend. Schönheit kann per Katalog erworben werden. Kinder lassen sich planen und optimieren. Das Leben ist ein einziger Event. Selbst das Alter lässt sich hinausschieben, auch Greise dürfen noch eine jugendliche Attitüde an den Tag legen. Darüber hinaus?

Montag, 15. Mai 2023

Ein Mechanismus zum Umverteilen von Geld

Obwohl Geld oft keine Motivation für mehr Arbeit darstellt, ist es doch das wichtigste Bindeglied einer Gesellschaft
Das lässt sich heute weltweit beobachten. Unabhängig vom jeweils herrschenden System. Die Werkzeuge sind derzeit der Konsumismus sowie die Übernahme und Analyse von Daten. War es früher hauptsächlich Religion, die Werten sichtbare Gestalt gegeben hat, sind die modernen Wahrzeichen Konsumtempel und soziale Medien. Deren Versprechen auf Glück erfüllen sich nicht erst im Jenseits, sonder im Hier und Jetzt. Es ist dieses nachprüfbare Versprechen, das die Heilsbotschaft des Konsumismus und des Datentransfers glaubwürdig und authentisch machen. 

Konsumismus lenkt die Gedanken der Menschen

Überraschend spielt Geld nicht eine gleichwertige Rolle. Inzwischen ist bekannt, dass es für die meisten Menschen keine Motivation darstellt, immer mehr Geld anzuhäufen. Irgendwann setzt das Gefühl ein, genug Geld zu haben. Was also ist der Grund für den Glauben an Konsumismus und den Markt?

Es funktioniert. Jeder kann es leben. Beides ist fassbar, leicht zu erklären und sogar noch leichter zu erlernen. Vor allem aber verschafft es Anerkennung und Ansehen.

Seit der Mensch vor Millionen von Jahren begonnen hat, die Erde zu bevölkern, ist es innerhalb einer Gruppe von Vorteil, ein besonderer Mensch zu sein. Der beste Jäger, die beste Sammlerin, der Stärkste, der Geschickteste oder sonst ein außergewöhnliches Mitglied der Gruppe. Heute ist es nicht anders. Jeder Mensch möchte im Mittelpunkt stehen. Das ist die entscheidende Motivation für viele, sich anzustrengen: Anerkennung. Zumal Anerkennung oft mit Macht über andere Menschen einhergeht, was die Motivation zusätzlich steigert.

Der Konsumismus ist ein weltweites Phänomen. Er ist die vielleicht erste und einzige globale Bewegung, die alle Menschen hinter einer Idee vereint. Wie kommt es dazu? Weshalb setzt sich gerade diese Idee durch? Zum einen, weil der Mensch das Konsumieren im weitesten Sinne von Anbeginn gewohnt ist. Er musste sich immer um seine notwendigen Lebensgrundlagen bemühen. Deshalb haben die Menschen von Natur aus diese Gemeinsamkeit.

Doch es steckt mehr dahinter. Der Konsumismus ist keine Ideologie, die irgendeine Staatsform infrage stellt. Im Gegenteil: Er passt sich an jede Regieruns- und Lebensweise an. Sein einziges Ziel ist der Verkauf seiner Güter. Ansonsten mischt er sich in nichts ein, jedenfalls nicht direkt und offensichtlich. Er hat seine eigenen Werte, die denen von Staaten nicht widersprechen. Es geht um maximale Gewinne, bei minimalen Einsätzen. Dagegen hat kein Staat der Welt etwas einzuwenden.

Konsumismus vereinheitlicht die Welt

Unter seiner Oberfläche ist der Konsumismus allerdings weit mehr als nur ein Mechanismus zum Umverteilen von Geld. Er bindet die Menschen zum Beispiel an Arbeit, damit sie sich seine Waren leisten können. Darüber hinaus vermarktet er ihre Lebenszeit. Jed mehr sie konsumieren, desto weniger Zeit bleibt zum Nachdenken, für Protest und Revolte. Der Konsumismus lenkt die Gedanken der Menschen, ihr Handeln und Fühlen in nur eine Richtung. Sie erfüllen sich Wünsche und Träume, die der Konsumismus ihnen vorgibt. Die meisten davon sind nicht notwendig.

Der Konsumismus mischt sich in alle menschlichen Lebensbereiche ein. Er ist zu einer bestimmenden Kraft der Gesellschaft und des Lebens geworden. Äußere Zeichen seiner Macht sind die Läden und Geschäfte, die überall auf der Welt die Stadtbilder dominieren. Mehr und mehr gleich sich Städte durch den Einfluss international operierender Ketten immer weiter an. Nicht von ungefähr wurde McDonalds lange Zeit scherzhaft als amerikanische Botschaft bezeichnet.

Dennoch stellt der Konsumismus zunächst keine Gefahr für irgendeine Gesellschaftsform dar. Schließlich schafft er lediglich ein Angebot. Niemand wird von ihm gezwungen, zu konsumieren. Jedenfalls nicht über die notwenigen Lebensgrundlagen hinaus. Der Konsumismus scheint eine vollkommen demokratische und friedliche Institution zu sein. Sein einziger Zweck ist die eigene Erhaltung und Ausbreitung. Allerdings überzieht er dadurch die gesamte Erde mit einem Netz aus gut sichtbaren Handelszentren, die durch Zusammenschlüsse immer einheitlicher werden und damit landestypische Unterschiede verwischen.

Der Konsumismus vereinheitlicht die Welt. Selbst ein Land wie China, das nach eigenem Selbstverständnis kommunistisch geführt wird, ist im Grunde konsumistisch orientiert. Den meisten Bürgern kommt es weniger auf unumschränkte Freiheit, als auf unbeschränkten Konsum an. Dafür sind sie bereit, sich dem Staat unterzuordnen und darüber hinaus viel zu arbeiten. Wie auch die Menschen in kapitalistisch oder sonst wie geführten Staaten. Nur wo der Konsumismus verweigert wird oder nicht gut funktioniert, revoltiert die Masse. Solange sie aber das Gefühl hat, Teil des globalen Konsumismus zu sein, schweigt sie. 

Der Wert eines Menschen lässt sich beziffern

Wie konnte sich der Konsumismus unumschränkt durchsetzen? Er folgt auf das Zeitalter der Ideologien, die sich spätestens mit dem Untergang des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion und weiten Teilen der Welt bis nach Afrika und Südamerika allesamt erledigt haben. Es gibt nur noch Parteien, es werden Abgeordnete gewählt. Doch unterscheiden sie sich praktisch kaum noch voneinander. Regierungen sind nur noch Institutionen zur Verwaltung eines Landes. Themen werden von Lobbyisten und Marketingagenturen gesetzt, deren wichtigstes Hilfsmittel Umfragen sind, mit denen abgefragt wird, was die Masse bewegt und wie zufrieden sie ist. Es gibt weder Klassen, noch Klassenkämpfe. Keiner setzt sich mehr für irgendwelche politischen Theorien ein. Es gibt nur noch Marktteilnehmer, die sich nach ihrem Einkommen unterscheiden sowie nach Zufrieden- und Unzufriedenheit. 

Die gute Nachricht: Auf dem Markt sind alle Menschen gleich, er unterscheidet nicht nach Rasse und Religionszugehörigkeit. Der Markt qualifiziert nach vorhandenen Mitteln. Insoweit unterscheidet er die Menschen, aber er grenzt sie nicht aus. Jeder bekommt, was er sich leisten kann. Allerdings ist ihm der Mensch auch nicht mehr wert, als sein jeweiliges Vermögen. Der Wert eines Menschen lässt sich im Konsumismus mit einer Zahl beziffern.

Mittwoch, 25. Januar 2023

Werte laufen ins Leere

 

Menschen laufen durch die Matrix der Werte und versuchen sich daran innherhalb einer Geellschaft zu orientiren
Einen großen Anteil daran hat auch die digitale Wirtschaft in Form des Überwachungskapitalismus, dessen größter Wert die ständige online Präsenz der Nutzer ist. Daraus zieht er seine Daten und daran verdient er. Doch die ständige Präsenz hat ihren Preis: Sie kostet Zeit, sehr viel Zeit. Immer mehr Tätigkeiten werden auf die Verbraucher abgewälzt. Rechnungen ausdrucken, Waren zurücksenden, Informationen einholen und vieles mehr. Und wir sind wieder zurück auf der Jagd und beim Sammeln.

Es sind gerade die Notwendigkeit des Lebens, die den Menschen von der digitalen Wirtschaft nicht abgenommen werden. Sie bewirkt vor allem zwei entscheidende Entwicklungen: Die digitale Wirtschaft schafft ein unglaublich vielfältiges Angebot, das dazu führt, dass mehr und mehr Zeit für die Notwendigkeit eines Lebens aufgewendet werden müssen. Zum anderen fördert sie die Entstehung leerer Werte.

Von größerem Interesse ist der zweite Punkt, da er unmittelbar dem Punkt eins zuarbeitet.

Eine neue Dimension des menschlichen Lebens

Die wichtigste Frage lautet: Was macht das Internet interessant genug, dass es das Leben einzelner Menschen und dadurch die Entwicklung der Menschheit insgesamt prägt? Die Antwort kann nur lauten: Es entspricht den menschlichen Bedürfnissen. Das Internet verbindet alles miteinander, lässt die Welt zusammenwachsen. Mit anderen Worten: Der Cyberspace schafft eine neue Dimension des menschlichen Lebens. Er fasziniert schlichtweg. Für viele ist er eine bunte Welt voller Möglichkeiten, die zum Spielen einlädt. Sie sehen nicht, dass ihre Daten analysiert und bewertet werden oder es ist ihnen egal. Das Internet beschäftigt die Menschen und gibt ihnen das Gefühl, nicht allein zu sein. Wir alle sind doch eigentlich eine große glückliche Familie. Leider ist das eine Lüge – wie in den meisten Familien.

Die Nutzer werden abgezockt, ihre Daten verkauft und zur Manipulation ihres Kauf- und Wahlverhaltens verwendet. Staaten und Unternehmen wenden große Mittel auf, Menschen online zu bestimmtem Denken und Handeln zu bewegen. Auf diese Weise kommt es versteckt zur Produktion leerer Werte.

Ein harmloses Beispiel: Wer auf einer Onlineplattform tausend Freunde hat, von denen ihm fünfhundert mit bunten Animationen zum Geburtstag gratulieren, freut sich vielleicht darüber. Doch was zählen die Glückwünsche von fünfhundert Freunden? Begriffe wie Freunde, Aufmerksamkeit und Geburtstag werden neu definiert. Noch sind sie dadurch keine leeren Werte, aber vielleicht schon auf dem Weg dorthin.

Werte werden entleert

Ein paar Schritte weiter sind zum Beispiel die Olympischen Spiele entwertet. Von ihrem einstigen Anspruch, die Jugend der Welt zu sportlichem Wettkampf zusammenzubringen, bleibt nur ein floskelhafte leerer Wert. Längst sind die Spiele zu profisportlichen Events geworden, die auch regelmäßig zu politischen Zwecken missbraucht werden. Von friedlichen, fairen und gleichen Wettkämpfen keine Spur mehr.

Immer dort, wo es um politische und wirtschaftliche Interessen geht, werden Werte entleert. Wie bei den Ladenöffnungszeiten sowie den Öffnungszeiten am Sonn- und Feiertagen. Es stehen nicht die Familien im Vordergrund, sondern kommerzielle Interessen. Natürlich gewöhnen sich die Menschen daran und natürlich lernen sie zu schätzen, noch nachts einkaufen zu können. Insofern tragen sie zum entleeren der Werte bei. Aber haben Sie eine Wahl?

Auch die Demokratie ist ein Wert, der sich allmählich entleert. Wenige engagieren sich noch. Die Wahlen sind ein steifes Ritual, bei dem das Ergebnis durch immer bessere Umfragen schon lange vorher weitgehend bekannt ist. Politische Themen werden durch Lobbygruppen sowie Werbung und Public Relations gesetzt. Seit Jahren schon wird Wahlkampf ohne konkrete Inhalte geführt. Es wirkt gerade so, als würden Inhalte von den Bürgern fern gehalten. Das Schlimmste aber ist, dass sich anscheinend niemand darum schert.

Auch so ein Wert, der ins Leere läuft: Nur wenige übernehmen noch Verantwortung für die Gesellschaft über die berufliche Tätigkeit hinaus. Es lohnt sich in den Augen der Bürger nicht. Zu sehr haben Bürokratie, Lobbyismus und Wirtschaft das Land in ihrem Griff. Sie treten Werte mit Füßen und erwarten nur, dass sie von anderen eingehalten werden.

Die Anbiederung des menschlichen Denkens

Da ist er wieder, der Blick der anderen. Aber diese anderen sind keine Menschen mehr, sondern Körperschaften, wie Verwaltung und Unternehmen, die sich verselbstständigen. Bald wird mit künstlicher Intelligenz ein neuer Spieler auftreten, der die Menschen mit dem Blick des anderen belegt, um ihnen einen Willen aufzudrängen. Erstmals wird es der Wille von Maschinen sein. Zunächst im Auftrag und unter der Kontrolle von Menschen, die für Staaten und Unternehmen arbeiten. Irgendwann mehr und mehr autonom.

Welche Auswirkungen wird diese Entwicklung auf das Entstehen und Vergehen von Werten haben? Einen Vorgeschmack bekommt die Menschheit durch das Internet. Dort gelten andere Werte, die auch durch die Anonymität im Netz ermöglicht werden. Follower, Likes und Kommentare werden gekauft. Wettbewerbsprodukte erhalten schlechte und natürlich auch gekaufte Bewertungen. Privates Leben wird öffentlich zur Schau gestellt. Es zählt allein die Zahl an Klicks. Sie stellen einen Wert an sich dar. Denn ein Klick zeigt Interesse. Er ist so etwas wie ein Schulterklopfen, ein virtuelles „gut gemacht“, das demonstriert, da könnte ein Inhalt von allgemeinen Interesse sein, der Aufmerksamkeit verdient.

Wie erhält jemand diese Klicks? Durch Aufarbeitung seiner Inhalte für die Masse und für die Maschinen. Ein Zauberwort der Internetwelt heißt Suchmaschinenoptimierung (SEO). Die Anbiederung des menschlichen Denkens an die Vorgaben von Algorithmen. Wer seine Sache dabei gut macht, darf sich über einen Platz an der Spitze von Suchergebnissen freuen – und über mehr Zuspruch für seinen Auftritt im Internet. Folglich sind viele Menschen zu fast allem bereit, um diesen „Platz an der maschinellen Sonne“ zu erreichen und möglichst lange zu behalten.

Der Masse fällt zunehmend Macht zu

Der Wert von Inhalten im Internet wird durch das Verhalten von Massen bestimmt. Es wird nicht nur beziffert, sondern auch bedient. Im Streben nach Bekanntheit und Erfolg zählt im Internet nicht Können, es zählt die Fähigkeit, um jeden Preis Menschen auf die eigene Seite zu ziehen und dort so lange es geht festzuhalten.

Der Masse fällt im Internet eine zunehmende Macht zu. Weil sie dort nicht gezähmt, sondern umworben wird. Sie ist erstmals zu einem Wert an sich geworden. Zwar stellt die Masse nichts her, aber ihr Verhalten beeinflusst Herstellung und gibt Vorgaben, deren Einhalten über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Ihre Migrationsbewegungen verteilen Anerkennung und Geld. Auf diese Weise kontrollieren Sie die Herstellung im Internet.

Es ist ein Zusammenspiel zwischen Masse und kollektiven Strom. Letzterer liefert die Stichworte, während Erstere daraus Trends formt. Natürlich ist das eine allmähliche Entwicklung, die mit vielen Irrungen und Wirrungen, Wenden und Rücknamen verbunden ist. Doch im Kräftespiel der Stichworte bilden sich fortwährend Trends als würden sich aus einem Topf Nudelsuppe ständig neue Worte zusammensetzen. Eine Zeit lang werden sie häufig benutzt, dann geraten sie in Vergessenheit.

Dienstag, 3. Januar 2023

Die modernen Medien verändern den Wertekanon der menschlichen Gesellschaft

 
Ein Fußgänger geht an einem großen Gebäude entlang, aber darf er links oder rechts gehen, welche Werte gelten gerade
Werte werden ständig neu verhandelt

Grundsätzlich sind Werte weder gut noch böse. Sie sind neutral. „Du sollst nicht töten“ ist tatsächlich kein wertvollerer Wert als: „Du sollst jeden Menschen töten, der dir begegnet“. Erst ist die Ausrichtung einer Gruppe oder Gesellschaft lädt Werte mit Wert auf. In vielen Wohlstandsgesellschaften ist beispielsweise der Leistungsgedanke ein hoher Wert. Wer hart und erfolgreich arbeitet, ist meist gut angesehen. Passend dazu stellt auch Geld einen hohen Wert dar, dessen Erwerb alles untergeordnet wird. Oft sogar die eigene Gesundheit. Der von außen sichtbare Wohlstand ist der höchste Wert.

Andererseits werden Werte ständig neu verhandelt. In einer Gesellschaft, in der jeder Mensch über ausreichend Geld verfügt, wird vermutlich der Wert von Freizeit höher gewichtet. Gleiches gilt, wenn es nicht genug Arbeit für alle gibt. Wenn sehr viele Menschen alleine leben, wird der Wert von Familie sinken. Je mehr Menschen ein hohes Alter erreichen, desto wertvoller werden Gesundheits- und Pflegeleistungen. In einer Wissensgesellschaft genießt Bildung einen hohen Wert.

Werte altern und sterben

Andere Werte wie Glaubwürdigkeit und Vertrauen werden ständig untergraben, solange es einer Gesellschaft hauptsächlich um den wirtschaftlichen Aspekt geht. „Krumme Geschäfte“ auf allen Ebenen führen den Menschen tagtäglich die Absurdität eines Staatswesens vor Augen. Schlimmer noch: Es macht sie zu Komplizen, die mehr und mehr auf die ursprünglichen Werte einer Gesellschaft pfeifen. Denn sie werden von Politik und Wirtschaft durch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit belogen. So beginnen auch sie zu lügen und zu betrügen, weil sie der Gesellschaft, in der sie leben, keinen großen Wert beimessen.

Es scheint sogar, dass ein Staatswesen mit zunehmendem Alter an Wert verliert, wenn es nicht grundlegend erneuert wird. Seine Strukturen verkrustet, seine Regeln verwirren und es ist nur noch eine leere Hülle, die einer ausufernden Bürokratie als Rechtfertigung ihrer Existenz dient. Mit ihr verblassen seine einst strahlenden und alles verbindenden Werte. Das ist eine überraschende Erkenntnis: Werte altern und sterben. Wieso auch nicht? Sie haben einen Lebenszyklus von ihrem Entstehen bis zum Vergehen. Denn sie sind von Menschen gemacht und unterliegen damit dem menschlichen Werden. Oft über Generationen. Manchmal werden sie sogar neu belebt. Einige sind universell und passen in jedes Zeitalter, auch wenn sie gelegentlich andere Namen bekommen. Gehorsam ist ein solcher Wert. Heute sagt man eher, du musst dich anpassen oder deinen Teil zum Team beitragen. Doch gemeint ist Gehorsam, nur ist das Wort nicht mehr opportun.

Andere Werte werden bei Bedarf hervorgeholt, wie Vaterlandsliebe für das Opfer des eigenen Lebens in Kriegszeiten und das Ehrenwort für die eigene Glaubwürdigkeit, dass aber durch Missbrauch ziemlich in Verruf geraten ist.

Die Macht, Werte zu setzen

Es gibt also Werte für jeden Bedarf. Sie dienen dazu, Menschen zu bestimmten wünschenswerten Verhaltensweisen zu veranlassen. Wer die Macht hat, Werte zu setzen, kann die Menschen in seinem Sinne manipulieren. Doch wer hat die Macht dazu?

Die erste Erfahrung eines jeden Menschen mit dieser Macht geschieht in der Familie. Denn Eltern haben die Macht, ihre Kinder zu einem Benehmen zu erziehen, dass ihnen geboten erscheint oder mit anderen Worten: dass ihre Werte umsetzt. Meistens lauten sie: höflich, strebsam, fleißig, folgsam und ähnliche Adjektive. Doch in der Familie geschieht auch etwas anderes. Die Kinder lernen, wie subjektiv Werte ausgelegt werden, dass es darauf ankommt, wer die Werte einfordert und wer sie leben soll. Eltern sind nicht unbedingt das beste Vorbild. Ehrlichkeit? Wenn da nur die Geschichte mit dem Weihnachtsmann wäre. Doch dass sich alle in der Familie lieb haben, stimmt leider auch nicht. Was sind das für komische Anrufe, die Mama immer erhält und von denen Papa nichts wissen darf? Warum kommt Papa aus der Firma kaputt und verärgert nach Hause, wenn doch Feiß und Strebsamkeit zum Erfolg führen, der angeblich so viel Spaß bringt? Die Ungereimtheiten sähen schon früh Zweifel.

Ein Entkommen gibt es nicht. Kindergarten, Schule: alle Institutionen setzen Werte und wachen über ihre Einhaltung. Sie sind unentrinnbar, weil alle Beschäftigten selbst an diese Werte glauben und nach ihnen leben, auch wenn sie ihnen nicht immer gerecht werden. Sie verinnerlichen sie als Orientierungspunkte und Halt, damit sie wissen, wonach sie streben und wogegen sie verstoßen.

Die Kinder werden hineingeworfen in diese Welt der Werte mit ihrer Strenge, ihren Ausnahmen und all dem schlechten Gewissen, wenn den Werten nicht genügt wird. 

Ausnahmen haben ihren eigenen Wertekanon. Welche Ausnahmen sind wie und weshalb erlaubt? Wer darf sich wann darauf berufen und wer nicht? Es ist alles furchtbar kompliziert. Und warum? Man könnte es als eine Art Eingangstest bezeichnen. Nur wer in einer Gesellschaft zu Hause ist, versteht die Unterscheidungen und Feinheiten. So schaffen Werte ein Gefühl der Zugehörigkeit und geben andererseits unmissverständlich zu verstehen, bis zu welchem Punkt eine Gesellschaft bereit ist, Fremde und Außenseiter zu tolerieren.

Werte erfinden sich neu

Doch die Ausnahmen haben auch eine negative Wirkung, denn wo überhaupt Ausnahmen möglich sind, da wird es Menschen geben, die zu ihrem Nutzen oder dem ihrer Gruppe nach weiteren Ausnahmen suchen – und sie entweder finden oder selbst kreieren. Das setzt eine Spirale in Gang, die zwischen Werten und Ausnahmen einen unbeschreiblichen Wust an Regeln produziert, der in letzter Konsequenz alle Werte ad absurdum führt. Ein Sieg der Bürokratie und ihres obersten Wertes: der Intransparenz, um die Verwaltung dauerhaft wachsen zu lassen.

In diesem Stadium der gesellschaftlichen Entwicklung werden Werte frenetisch beschworen, an die sich nur noch Bürger halten, denen es ein Anliegen ist, treu dem Staat zu dienen. Alle anderen machen die Ausnahmen von den Werten zur Regel und nutzen die Inkompetenz, die durch die Intransparenz der Bürokratie entsteht, zu ihrem Vorteil.

Dabei zeigt sich eine neue, überraschende Eigenschaft von Werten: Sie passen sich nicht nur den Umständen an, sondern erfinden sich neu.

Wie bereits erwähnt, gibt es keine Person, keine Gruppierung, kein Volk ohne Werte. Deshalb ist es ohne Belang, wie sich eine Gesellschaft entwickelt. Auf jeden Fall wird sie über Werte verfügen. Selbst in den online Welten des Internets wird über Werte im digitalen Zeitalter diskutiert und es gibt an vielen virtuellen Orten so genannte Nettiketten, also Benimmregeln für das Verhalten im Cyberspace. Die Menschen beginnen ganz von selbst, nach Werten zu suchen. Ob sie auch eingehalten werden, steht letztendlich auf einem anderen Blatt.

Die sozialen Medien haben den Wertekanon der menschlichen Gesellschaft sowieso nachhaltig verändert. Telefonate sind beispielsweise nicht länger privat. Sie werden in der Öffentlichkeit geführt. Unter anderem laut und deutlich in der Bahn und alle hören zwangsläufig mit, welche Tabletten die Freundin nimmt. Selbst Wohnungen sind nicht mehr geschützt, weil Gäste Fotos vom Essen machen und posten. Es ist inzwischen wichtiger, Follower zu informieren, als persönlich zusammen zu sein. Hinzu kommen Hasskommentare, Cybermobbing und ähnliche Erscheinungsformen der modernen Kommunikationswelt.