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Montag, 15. Mai 2023

Ein Mechanismus zum Umverteilen von Geld

Obwohl Geld oft keine Motivation für mehr Arbeit darstellt, ist es doch das wichtigste Bindeglied einer Gesellschaft
Das lässt sich heute weltweit beobachten. Unabhängig vom jeweils herrschenden System. Die Werkzeuge sind derzeit der Konsumismus sowie die Übernahme und Analyse von Daten. War es früher hauptsächlich Religion, die Werten sichtbare Gestalt gegeben hat, sind die modernen Wahrzeichen Konsumtempel und soziale Medien. Deren Versprechen auf Glück erfüllen sich nicht erst im Jenseits, sonder im Hier und Jetzt. Es ist dieses nachprüfbare Versprechen, das die Heilsbotschaft des Konsumismus und des Datentransfers glaubwürdig und authentisch machen. 

Konsumismus lenkt die Gedanken der Menschen

Überraschend spielt Geld nicht eine gleichwertige Rolle. Inzwischen ist bekannt, dass es für die meisten Menschen keine Motivation darstellt, immer mehr Geld anzuhäufen. Irgendwann setzt das Gefühl ein, genug Geld zu haben. Was also ist der Grund für den Glauben an Konsumismus und den Markt?

Es funktioniert. Jeder kann es leben. Beides ist fassbar, leicht zu erklären und sogar noch leichter zu erlernen. Vor allem aber verschafft es Anerkennung und Ansehen.

Seit der Mensch vor Millionen von Jahren begonnen hat, die Erde zu bevölkern, ist es innerhalb einer Gruppe von Vorteil, ein besonderer Mensch zu sein. Der beste Jäger, die beste Sammlerin, der Stärkste, der Geschickteste oder sonst ein außergewöhnliches Mitglied der Gruppe. Heute ist es nicht anders. Jeder Mensch möchte im Mittelpunkt stehen. Das ist die entscheidende Motivation für viele, sich anzustrengen: Anerkennung. Zumal Anerkennung oft mit Macht über andere Menschen einhergeht, was die Motivation zusätzlich steigert.

Der Konsumismus ist ein weltweites Phänomen. Er ist die vielleicht erste und einzige globale Bewegung, die alle Menschen hinter einer Idee vereint. Wie kommt es dazu? Weshalb setzt sich gerade diese Idee durch? Zum einen, weil der Mensch das Konsumieren im weitesten Sinne von Anbeginn gewohnt ist. Er musste sich immer um seine notwendigen Lebensgrundlagen bemühen. Deshalb haben die Menschen von Natur aus diese Gemeinsamkeit.

Doch es steckt mehr dahinter. Der Konsumismus ist keine Ideologie, die irgendeine Staatsform infrage stellt. Im Gegenteil: Er passt sich an jede Regieruns- und Lebensweise an. Sein einziges Ziel ist der Verkauf seiner Güter. Ansonsten mischt er sich in nichts ein, jedenfalls nicht direkt und offensichtlich. Er hat seine eigenen Werte, die denen von Staaten nicht widersprechen. Es geht um maximale Gewinne, bei minimalen Einsätzen. Dagegen hat kein Staat der Welt etwas einzuwenden.

Konsumismus vereinheitlicht die Welt

Unter seiner Oberfläche ist der Konsumismus allerdings weit mehr als nur ein Mechanismus zum Umverteilen von Geld. Er bindet die Menschen zum Beispiel an Arbeit, damit sie sich seine Waren leisten können. Darüber hinaus vermarktet er ihre Lebenszeit. Jed mehr sie konsumieren, desto weniger Zeit bleibt zum Nachdenken, für Protest und Revolte. Der Konsumismus lenkt die Gedanken der Menschen, ihr Handeln und Fühlen in nur eine Richtung. Sie erfüllen sich Wünsche und Träume, die der Konsumismus ihnen vorgibt. Die meisten davon sind nicht notwendig.

Der Konsumismus mischt sich in alle menschlichen Lebensbereiche ein. Er ist zu einer bestimmenden Kraft der Gesellschaft und des Lebens geworden. Äußere Zeichen seiner Macht sind die Läden und Geschäfte, die überall auf der Welt die Stadtbilder dominieren. Mehr und mehr gleich sich Städte durch den Einfluss international operierender Ketten immer weiter an. Nicht von ungefähr wurde McDonalds lange Zeit scherzhaft als amerikanische Botschaft bezeichnet.

Dennoch stellt der Konsumismus zunächst keine Gefahr für irgendeine Gesellschaftsform dar. Schließlich schafft er lediglich ein Angebot. Niemand wird von ihm gezwungen, zu konsumieren. Jedenfalls nicht über die notwenigen Lebensgrundlagen hinaus. Der Konsumismus scheint eine vollkommen demokratische und friedliche Institution zu sein. Sein einziger Zweck ist die eigene Erhaltung und Ausbreitung. Allerdings überzieht er dadurch die gesamte Erde mit einem Netz aus gut sichtbaren Handelszentren, die durch Zusammenschlüsse immer einheitlicher werden und damit landestypische Unterschiede verwischen.

Der Konsumismus vereinheitlicht die Welt. Selbst ein Land wie China, das nach eigenem Selbstverständnis kommunistisch geführt wird, ist im Grunde konsumistisch orientiert. Den meisten Bürgern kommt es weniger auf unumschränkte Freiheit, als auf unbeschränkten Konsum an. Dafür sind sie bereit, sich dem Staat unterzuordnen und darüber hinaus viel zu arbeiten. Wie auch die Menschen in kapitalistisch oder sonst wie geführten Staaten. Nur wo der Konsumismus verweigert wird oder nicht gut funktioniert, revoltiert die Masse. Solange sie aber das Gefühl hat, Teil des globalen Konsumismus zu sein, schweigt sie. 

Der Wert eines Menschen lässt sich beziffern

Wie konnte sich der Konsumismus unumschränkt durchsetzen? Er folgt auf das Zeitalter der Ideologien, die sich spätestens mit dem Untergang des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion und weiten Teilen der Welt bis nach Afrika und Südamerika allesamt erledigt haben. Es gibt nur noch Parteien, es werden Abgeordnete gewählt. Doch unterscheiden sie sich praktisch kaum noch voneinander. Regierungen sind nur noch Institutionen zur Verwaltung eines Landes. Themen werden von Lobbyisten und Marketingagenturen gesetzt, deren wichtigstes Hilfsmittel Umfragen sind, mit denen abgefragt wird, was die Masse bewegt und wie zufrieden sie ist. Es gibt weder Klassen, noch Klassenkämpfe. Keiner setzt sich mehr für irgendwelche politischen Theorien ein. Es gibt nur noch Marktteilnehmer, die sich nach ihrem Einkommen unterscheiden sowie nach Zufrieden- und Unzufriedenheit. 

Die gute Nachricht: Auf dem Markt sind alle Menschen gleich, er unterscheidet nicht nach Rasse und Religionszugehörigkeit. Der Markt qualifiziert nach vorhandenen Mitteln. Insoweit unterscheidet er die Menschen, aber er grenzt sie nicht aus. Jeder bekommt, was er sich leisten kann. Allerdings ist ihm der Mensch auch nicht mehr wert, als sein jeweiliges Vermögen. Der Wert eines Menschen lässt sich im Konsumismus mit einer Zahl beziffern.

Mittwoch, 25. Januar 2023

Werte laufen ins Leere

 

Menschen laufen durch die Matrix der Werte und versuchen sich daran innherhalb einer Geellschaft zu orientiren
Einen großen Anteil daran hat auch die digitale Wirtschaft in Form des Überwachungskapitalismus, dessen größter Wert die ständige online Präsenz der Nutzer ist. Daraus zieht er seine Daten und daran verdient er. Doch die ständige Präsenz hat ihren Preis: Sie kostet Zeit, sehr viel Zeit. Immer mehr Tätigkeiten werden auf die Verbraucher abgewälzt. Rechnungen ausdrucken, Waren zurücksenden, Informationen einholen und vieles mehr. Und wir sind wieder zurück auf der Jagd und beim Sammeln.

Es sind gerade die Notwendigkeit des Lebens, die den Menschen von der digitalen Wirtschaft nicht abgenommen werden. Sie bewirkt vor allem zwei entscheidende Entwicklungen: Die digitale Wirtschaft schafft ein unglaublich vielfältiges Angebot, das dazu führt, dass mehr und mehr Zeit für die Notwendigkeit eines Lebens aufgewendet werden müssen. Zum anderen fördert sie die Entstehung leerer Werte.

Von größerem Interesse ist der zweite Punkt, da er unmittelbar dem Punkt eins zuarbeitet.

Eine neue Dimension des menschlichen Lebens

Die wichtigste Frage lautet: Was macht das Internet interessant genug, dass es das Leben einzelner Menschen und dadurch die Entwicklung der Menschheit insgesamt prägt? Die Antwort kann nur lauten: Es entspricht den menschlichen Bedürfnissen. Das Internet verbindet alles miteinander, lässt die Welt zusammenwachsen. Mit anderen Worten: Der Cyberspace schafft eine neue Dimension des menschlichen Lebens. Er fasziniert schlichtweg. Für viele ist er eine bunte Welt voller Möglichkeiten, die zum Spielen einlädt. Sie sehen nicht, dass ihre Daten analysiert und bewertet werden oder es ist ihnen egal. Das Internet beschäftigt die Menschen und gibt ihnen das Gefühl, nicht allein zu sein. Wir alle sind doch eigentlich eine große glückliche Familie. Leider ist das eine Lüge – wie in den meisten Familien.

Die Nutzer werden abgezockt, ihre Daten verkauft und zur Manipulation ihres Kauf- und Wahlverhaltens verwendet. Staaten und Unternehmen wenden große Mittel auf, Menschen online zu bestimmtem Denken und Handeln zu bewegen. Auf diese Weise kommt es versteckt zur Produktion leerer Werte.

Ein harmloses Beispiel: Wer auf einer Onlineplattform tausend Freunde hat, von denen ihm fünfhundert mit bunten Animationen zum Geburtstag gratulieren, freut sich vielleicht darüber. Doch was zählen die Glückwünsche von fünfhundert Freunden? Begriffe wie Freunde, Aufmerksamkeit und Geburtstag werden neu definiert. Noch sind sie dadurch keine leeren Werte, aber vielleicht schon auf dem Weg dorthin.

Werte werden entleert

Ein paar Schritte weiter sind zum Beispiel die Olympischen Spiele entwertet. Von ihrem einstigen Anspruch, die Jugend der Welt zu sportlichem Wettkampf zusammenzubringen, bleibt nur ein floskelhafte leerer Wert. Längst sind die Spiele zu profisportlichen Events geworden, die auch regelmäßig zu politischen Zwecken missbraucht werden. Von friedlichen, fairen und gleichen Wettkämpfen keine Spur mehr.

Immer dort, wo es um politische und wirtschaftliche Interessen geht, werden Werte entleert. Wie bei den Ladenöffnungszeiten sowie den Öffnungszeiten am Sonn- und Feiertagen. Es stehen nicht die Familien im Vordergrund, sondern kommerzielle Interessen. Natürlich gewöhnen sich die Menschen daran und natürlich lernen sie zu schätzen, noch nachts einkaufen zu können. Insofern tragen sie zum entleeren der Werte bei. Aber haben Sie eine Wahl?

Auch die Demokratie ist ein Wert, der sich allmählich entleert. Wenige engagieren sich noch. Die Wahlen sind ein steifes Ritual, bei dem das Ergebnis durch immer bessere Umfragen schon lange vorher weitgehend bekannt ist. Politische Themen werden durch Lobbygruppen sowie Werbung und Public Relations gesetzt. Seit Jahren schon wird Wahlkampf ohne konkrete Inhalte geführt. Es wirkt gerade so, als würden Inhalte von den Bürgern fern gehalten. Das Schlimmste aber ist, dass sich anscheinend niemand darum schert.

Auch so ein Wert, der ins Leere läuft: Nur wenige übernehmen noch Verantwortung für die Gesellschaft über die berufliche Tätigkeit hinaus. Es lohnt sich in den Augen der Bürger nicht. Zu sehr haben Bürokratie, Lobbyismus und Wirtschaft das Land in ihrem Griff. Sie treten Werte mit Füßen und erwarten nur, dass sie von anderen eingehalten werden.

Die Anbiederung des menschlichen Denkens

Da ist er wieder, der Blick der anderen. Aber diese anderen sind keine Menschen mehr, sondern Körperschaften, wie Verwaltung und Unternehmen, die sich verselbstständigen. Bald wird mit künstlicher Intelligenz ein neuer Spieler auftreten, der die Menschen mit dem Blick des anderen belegt, um ihnen einen Willen aufzudrängen. Erstmals wird es der Wille von Maschinen sein. Zunächst im Auftrag und unter der Kontrolle von Menschen, die für Staaten und Unternehmen arbeiten. Irgendwann mehr und mehr autonom.

Welche Auswirkungen wird diese Entwicklung auf das Entstehen und Vergehen von Werten haben? Einen Vorgeschmack bekommt die Menschheit durch das Internet. Dort gelten andere Werte, die auch durch die Anonymität im Netz ermöglicht werden. Follower, Likes und Kommentare werden gekauft. Wettbewerbsprodukte erhalten schlechte und natürlich auch gekaufte Bewertungen. Privates Leben wird öffentlich zur Schau gestellt. Es zählt allein die Zahl an Klicks. Sie stellen einen Wert an sich dar. Denn ein Klick zeigt Interesse. Er ist so etwas wie ein Schulterklopfen, ein virtuelles „gut gemacht“, das demonstriert, da könnte ein Inhalt von allgemeinen Interesse sein, der Aufmerksamkeit verdient.

Wie erhält jemand diese Klicks? Durch Aufarbeitung seiner Inhalte für die Masse und für die Maschinen. Ein Zauberwort der Internetwelt heißt Suchmaschinenoptimierung (SEO). Die Anbiederung des menschlichen Denkens an die Vorgaben von Algorithmen. Wer seine Sache dabei gut macht, darf sich über einen Platz an der Spitze von Suchergebnissen freuen – und über mehr Zuspruch für seinen Auftritt im Internet. Folglich sind viele Menschen zu fast allem bereit, um diesen „Platz an der maschinellen Sonne“ zu erreichen und möglichst lange zu behalten.

Der Masse fällt zunehmend Macht zu

Der Wert von Inhalten im Internet wird durch das Verhalten von Massen bestimmt. Es wird nicht nur beziffert, sondern auch bedient. Im Streben nach Bekanntheit und Erfolg zählt im Internet nicht Können, es zählt die Fähigkeit, um jeden Preis Menschen auf die eigene Seite zu ziehen und dort so lange es geht festzuhalten.

Der Masse fällt im Internet eine zunehmende Macht zu. Weil sie dort nicht gezähmt, sondern umworben wird. Sie ist erstmals zu einem Wert an sich geworden. Zwar stellt die Masse nichts her, aber ihr Verhalten beeinflusst Herstellung und gibt Vorgaben, deren Einhalten über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Ihre Migrationsbewegungen verteilen Anerkennung und Geld. Auf diese Weise kontrollieren Sie die Herstellung im Internet.

Es ist ein Zusammenspiel zwischen Masse und kollektiven Strom. Letzterer liefert die Stichworte, während Erstere daraus Trends formt. Natürlich ist das eine allmähliche Entwicklung, die mit vielen Irrungen und Wirrungen, Wenden und Rücknamen verbunden ist. Doch im Kräftespiel der Stichworte bilden sich fortwährend Trends als würden sich aus einem Topf Nudelsuppe ständig neue Worte zusammensetzen. Eine Zeit lang werden sie häufig benutzt, dann geraten sie in Vergessenheit.

Sonntag, 18. Dezember 2022

Werte werden auf dem Markt gehandelt

 

Menschen finden sich zusammen, um bildlich mit Werten auf einem Markt zu handeln
Die Werte einer Gesellschaft sind festgelegte Regeln in Form von Gesetzen oder auch ungeschrieben, die jedes Mitglied kennen und befolgten sollte. Sie sind die rechtliche und ethische Grundlage des Zusammenlebens. Doch sie befinden sich in ständigem Wandel. Was heute gilt, kann morgen schon vergessen sein. Zum Beispiel: Die Jüngeren grüßen die Älteren und die Älteren bieten das "Du" an. Wer kennt das noch? Na, jedenfalls hält sich niemand mehr daran.

Wie kommt das? Welche Werte gehen und welche bleiben bestehen? Wer bestimmt darüber und warum?

Anscheinend gibt es eine Macht, die genügend Einfluss hat, mit der Zeit gewisse Anpassungen vorzunehmen. Adam Smith nannte sie die "unsichtbare Hand des Marktes". Für Karl Marx war es die Arbeitskraft. Hannah Arendt wies darauf hin, dass es wohl immer irgendeiner mystischen Erscheinung bedürfe, um alle Entwicklungen der Menschheit zu erklären. Ist das so oder gibt es bisher einfach kein schlüssiges Wort dafür?

Kollektive Strömung

Die "unsichtbare Hand" oder die „mystische Erscheinung“ sind sind nichts anderes als die Menschheit in ihrer Gesamtheit als sehr große Gruppe und möglicherweise auch regional unterteilt. Heute gibt es den Begriff „Schwarmintelligenz", wenn das Verhalten vieler zu einem sichtbaren Ergebnis in einem speziellen Bereich führt. Doch er trifft nicht den Kern der Veränderungen, die ständig in einer Gesellschaft vorgehen. 

Vielmehr ist es das gemeinsame Resultat jeder Arbeit, allen Handelns und jedes Gedankens, das sich in einer Tätigkeit äußert. Mit anderen Worten: Jedes Wirken eines Menschen führt im Zusammenspiel mit dem Wirken jedes anderen Menschen zu einem Impuls innerhalb der Gesellschaft. Die Vielzahl der Impulse steuern und formen nicht nur die Regeln des menschlichen Miteinanders, sondern sind auch Smith's "unsichtbare Hand des Marktes", Marx's "Arbeitskraft" und Arendt's „mystische Erscheinung“. Sie sind eine kollektive Strömung. Ihr verdanken die Menschen jede Entdeckung und Erkenntnis, jeden Fortschritt und Wagemut, leider auch jede Eroberung und jeden Krieg. Die kollektive Strömung - einer Rückkopplung gleich - beeinflusst umgekehrt auch wiederum ihrerseits das menschliche Denken und Handeln.

Doch bezieht sie auch die von der Menschheit erschaffene Dingwelt sowie die ungezähmte Natur mit ein. Alles und Jedes, bis zum Haustier, einem kleinen Insekt und der Blume auf einer Wiese, üben Einfluss auf Menschen und damit auf die kollektive Strömung aus.

Die Menschheit als kollektives Wesen

Sie unterteilt sich in Ästelungen und Verzweigungen. Zahlreiche Pfade enden bald und verlieren ihren Einfluss. Andere verstärken sich im Laufe der Zeit und bestimmen mit die Richtung, in die die Menschheit voranschreitet. Später nimmt ihre Bedeutung ab und neue Vorstellungen treten an ihre Stelle. Ein ständiges Aufflackern, Leuchten und Abdunkeln. Vielleicht lässt es sich vergleichen mit den vielen Lichtpunkten auf der Erde bei Nacht vom Weltraum aus betrachtet. Netzlinien aus Licht, eine fortwährende Veränderung. Mal schneller, mal langsamer, aber immer im Wandel.

Sollte es so einfach sein - die Menschheit steuert sich selbst durch ihr Tun und setzt dabei ihre Werte ganz nebenbei? Sie wären dann sozusagen ein Abfallprodukt. 

Oder funktioniert es genau umgekehrt: Die Werte entstehen im kollektiven Strom und daraus resultieren Arbeit und Handeln, Herstellung und überhaupt das ganze Sein der Menschen. Ist die Menschheit gar ein kollektives Wesen, ohne sich selbst als solches zu empfinden? Gerade die Menschheit, die sich viel darauf zugute hält, aus selbständigen Individuen zu bestehen.

Nun, es ist nicht auszuschließen, dass die Spezies analog zum digitalen System existiert. Statt An oder Aus, Null oder Eins, ordnet sie ihre menschlichen "Bits" und "Bytes" nach der Prämisse "Richtig" oder "Falsch". Wobei beides keine Konstanten, sondern Variablen sind, die durch den kollektiven Strom definiert werden. Er hat also nicht die Aufgabe, Ideen und Vorstellungen zu generieren, sondern Ideen und Vorstellungen, das Arbeiten, Handeln und Herstellen der menschlichen Individuen als "Richtig" oder "Falsch" zu bewerten. Das erklärt, weshalb nichts in der Gesellschaft je endgültig feststeht, sondern einem fortwährenden Wandel unterworfen ist. Jede kleinste Regung eines einzelnen Menschen wird begutachtet und bewertet. Ein Werden und Vergehen, das nur den einen Zweck hat: Die Menschheit sich alle Möglichkeiten aneignen zu lassen, die ihr Heimatplanet und später vielleicht das Universum ihr bieten. Niemand ist bisher in der Lage, dahinter einen Sinn zu erkennen, ohne auf einen mystischen Glauben zurückzugreifen. Es ist keinem Menschen möglich, sinnvoll über die Grenzbeziehung von Möglichkeiten und Sinn zu sprechen. Oder, wie Ludwig Wittgenstein schrieb: "Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen."

Doch über den kollektiven Strom zu sprechen, ist durchaus möglich. weil er vor aller Augen existiert. Er gibt der Menschheit durch Ausschlussverfahren eine Richtung. Das erklärt auch, weshalb sich Gut und Böse nicht eindeutig definieren lassen. Die Begriffe sind nur eine Hilfsbewertung menschlichen Verhaltens, um ein Wertesystem implementieren zu können. Gut ist, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer festgelegten menschlichen Gruppe als gut angesehen wird. Das gleiche gilt für den Begriff Böse. Aus diesem Grund kann das Töten von Menschen einerseits unter Strafe stehen, zum anderen aber hoch angesehen sein und belohnt werden, wenn beispielsweise Staaten Krieg führen.

Gemeinsamkeiten bilden den Wertekanon

Das menschliche Verhalten passiert in einem Koordinatensystem der Gesetze, Regeln und Werte. Hält er sich daran, ist der Mensch geachtet. Verstößt er dagegen, wird er bestraft. Moral ist die Instanz, die über die Einhaltung der Werte wacht. Sie stellt keine eigenen Regeln auf, sondern wendet sie auf Individuen und Gruppen an.

Wie werden Werte in der Gesellschaft ausgehandelt? Wie jedes menschliche Produkt: Durch Nachfrage und Vergleich der Wertigkeit mit anderen Gütern. So war zum Beispiel der Missbrauch von Kindern im kirchlichen Umfeld nur deshalb über Jahrzehnte möglich, weil der Kirche ein hoher Wert zugemessen wurde und sie deshalb nahezu unantastbar war. Das übertrug sich auch auf ihre Mitarbeiter. Erst als Religion in der Gesellschaft eine geringere Rolle zu spielen begann und ihr Stellenwert allgemein abnahm, bröckelte die Unantastbarkeit und die Diskussion über Missbrauchsfälle begann. Jedoch nur zaghaft, was noch immer auf einen relativ hohen Wert von Kirche hinweist.

Es sind die Gemeinsamkeiten der Menschen, die den Wertekanon der Gesellschaft bilden. Weshalb das Konsumieren den höchsten Wert einnimmt. Denn das ist die Tätigkeit, die über Generationen, Geschlechter, Rassen und Nationalitäten hinweg die größte Gemeinsamkeit der menschlichen Spezies darstellt. Shoppen bereitet den meisten Menschen Freude, nur die Vorlieben für verschiedene Produkte unterscheiden sich.

Zurück zu den Werten. Im Grunde werden sie gehandelt, wie Aktien an der Börse. Genauso sind sie Trends unterworfen. Eine deutliche Schwankung ist beispielsweise bei der Bewertung von Homosexualität zu beobachten. Lange strafrechtlich verfolgt, mit vielen Versuchen, Betroffene medizinisch zu "heilen", gilt es heute als geradezu schick, schwul zu sein. Die Werte haben sich diesbezüglich fast in die entgegengesetzte Richtung verschoben. Die Minderheit von Homosexuellen und Transgender ist in der öffentlichen Wahrnehmung eine bedeutende Gruppierung, weil Gleichberechtigung heutzutage einen hohen Wert verkörpert. Deshalb setzen Unternehmen auf diese Zielgruppe und greifen sie in ihrer Werbung auf. Auch in Büchern und Filmen kommt sie verstärkt vor. Sie hat einen Wert, auch weil sie als einkommensstark mit hoher Kaufkraft gilt. Gesellschaftlich ging dieser Akzeptanz ein langer Kampf um Anerkennung voraus.

Der Blick der Anderen

Der Wertewandel ist ein Zusammenspiel gesellschaftlicher Kräfte. Ausgelöst durch Notwendigkeit. Die Emanzipation der Frau wurde von der Tabakindustrie gefördert, weil sie die selbstbewusste Frau als Kundin für sich entdeckt hast, was die Größte des Marktes auf einen Schlag verdoppelte. Sie schuf mit ihren Werbekampagnen neue Werte für Frauen, die sich bald darauf auch in Filmen und Magazinen niederschlugen. Eine frühe Parallele zum heutigen Aufstieg von Homosexuellen und Transgender zu gesellschaftlichen Ikonen.

Doch die Zeit muss reif für einen solchen Wandel sein. Was heißt das? Die kollektive Strömung transportiert bereits länger entsprechende gedankliche Fragmente. Der Blick der Anderen darauf ist der entscheidende Schlüssel für die Entwicklung einfachen Gedankenguts, das wie Treibholz zufällig dahin schwimmt, zu einer relevanten und schließlich gesellschaftsverändernden Idee. Denn bereits Sartre beschreibt eindringlich, dass ein Mensch, der durch ein Schlüsselloch blickt, vollkommen frei und nur er selbst ist. Doch sobald er sich durch den Blick eines anderen beobachtet fühlt, nimmt er sich selbst anders wahr, nämlich im Blick des anderen und beginnt vielleicht seine Schuhe zuzubinden, um diesem anderen nicht als Voyeur zu gelten.

So sondert der Blick der Anderen auch aus dem gedanklichen Treibholz des kollektiven Stroms allein durch seine Aufmerksamkeit einige Bruchstücke aus, die dadurch an Kraft gewinnen und im gesellschaftlichen Umfeld relevant werden. Wobei der Blick der Anderen der Blick jedes einzelnen Menschen ist, der nur im Verhältnis zu einem selbst nicht ein fremder ist. Der Blick eines anderen ist auch immer der eigene, der sich vom Sein des Selbst ab- und dem Außen zuwendet. Deshalb ist jedes Sein sowohl ein Ich als auch ein Anderer.