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Freitag, 16. Juni 2023

Werte und Macht

Wie diese zwei Fische, schwimmen Masse und Macht nebeneinander her
Das vertrackte an die Freiheit ist das Empfinden der Menschen ihr gegenüber. Wer sich seiner Freiheit beraubt sieht, reagiert meist sehr massiv auf diesen Umstand. So ziehen sich zahllose Sklavenaufstände durch die Geschichte, bei denen Menschen ihr Leben eingesetzt haben, um sich und andere zu befreien. Doch ist die Freiheit errungen, wissen sie oft nichts damit anzufangen. Ihnen genügt der Umstand, dass sie nicht mehr zur Arbeit gezwungen werden, sondern freiwillig arbeiten. Das System, für das sie arbeiten und das aus ihrer gering entlohnten Arbeit noch immer gehörigen Profit schlägt, hinterfragen sie nicht. Es ist das bescheidene Glück von selbstverdienter Wohnung, Kleidung und Nahrung, das Menschen das Gefühl von Freiheit gibt. Die Erfüllung der notwendigen Lebensgrundlagen und ein klein wenig Wohlstand darüber hinaus macht sie zufrieden.

Der menschliche Geist muss Dinge erschaffen

Der Konsumismus nutzt das aus. Er produziert unendliche Warenwelten, die den Menschen vorgaukeln, sich in einem riesigen Kosmos voller Möglichkeiten zu bewegen. Weshalb spricht dieses Konstrukt die Menschen so stark an?

Der menschliche Geist kann sich nur in Taten offenbaren. Er muss, um sein Denken zu zeigen, Dinge erschaffen. In diesen Dingen drückt er sich aus. Umgekehrt offenbaren diese Dinge aber auch das Wesen der Menschen. Existiert der Konsumismus also, weil die Menschen ihn ihrem Sein entsprechend errichten, um all die Dinge zu präsentieren, die ihr Geist ersinnt oder formt er den Geist der Menschen nach seinen Vorgaben? Es gibt eine dritte Vermutung: Der Konsumismus dient dazu, die Freiheit der Menschen zu lenken und zu kontrollieren. Wie eine unsichtbare Mauer umspannt er jede Gesellschaft und bringt die Menschen dazu, nach seinen Regeln zu leben.

Werte werden gemacht

Und Werte? Sie flankieren und rechtfertigen jeden Weg, den Menschen einschlagen. Als Afrikaner millionenfach versklavt wurden, beteiligte sich sogar die katholische Kirche daran. Mit der Begründung, arme sündige Seelen zum Christentum und damit zum ewigen Leben zu bekehren. Aus Sicht der Kirche ein durchaus positiver Wert. An anderer Stelle wurden Rassetheorien ersonnen. Unhaltbare Aussagen über Menschen anderer Kulturen wurden pseudowissenschaftlich untermauert und rechtfertigten die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft sowie ihre Zuschaustellung in sogenannten Menschenzoos zum Vergnügen europäischer Besucher.

Werte werden gemacht. Sie sind die Leitlinien für die Masse der Gesellschaft. Ohne sie würde Zusammenleben nicht funktionieren. Beispielsweise das Verbot von Diebstahl. Könnte sich jeder bedienen, wie er wollte, würde der Handel zusammenbrechen. Deshalb wird ein entsprechendes Gesetz erlassen, seine Einhaltung überwacht und durchgesetzt. Wer dagegen verstößt, ist zu bestrafen. Eltern bringen ihren Kindern bei, nicht zu klauen. Ehrlichkeit gilt als hoher Wert. Viele Menschen gehen in einen Laden zurück, wenn sie aus Versehen ein Produkt nicht bezahlt oder zu viel Geld herausbekommen haben, um die Abrechnung zu korrigieren.

Ehrlichkeit ist ein Wert für den Alltagsgebrauch

Königin Elisabeth I. befahl ihrem Kapitän und Freibeuter Francis Drake dagegen, spanische Schiffe anzugreifen und zu kapern. Mit anderen Worten: Er sollte in ihrem Auftrag rauben und morden. Was er sehr erfolgreich tat und die Schatztruhen seiner Souveränin damit füllte. Als Lohn wurde Drake, der auch selbst ein Vermögen anhäufen konnte, in den Adelsstand erhoben. 

Die Kongokonferenz vom 15. November 1894 bis zum 26. Februar 1885 in Berlin teilte den afrikanischen Kontinent unter den damals führenden europäischen Mächten faktisch auf, indem Handelswege definiert und Kolonialrecht geschaffen wurde. Wohl gemerkt, von Menschen bereits besiedelte Regionen. Was war das anderes als Diebstahl? Diebstahl, der den afrikanischen Kontinent durch die damaligen willkürlichen Grenzziehungen bis heute beeinflusst.

Die amerikanischen Siedler raubten den Ureinwohnern ihr Land. Ölkonzerne übervorteilten Förderländer wie Persien. Die Treuhandgesellschaft organisierte den Ausverkauf der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). China übernimmt im Zuge seines Projekt „Neue Seidenstraße“ Häfen von Ländern, die ihre immensen Kredite nicht zurückzahlen können. Internetkonzerne speichern massenhaft Daten von Nutzern und treiben damit ihre Wachstum voran.

Macht modifiziert die Masse

Der Wert „Ehrlichkeit“ ist eine Regel für den Alltagsgebrauch. Ohne sie könnte sich kein Handel etablieren. Doch innerhalb und außerhalb eines geordneten Staatswesens mit funktionierender Wirtschaft gibt es durchaus Spielraum für kreative Anwendungen von Werten, die dazu gemacht wurden, die Masse zu kontrollieren.

Ein weiterer Faktor beeinflusst also Werte: Macht. Ist es die Aufgabe der Masse, aus dem kollektiven Strom Werte zu etablieren, kontrolliert die Macht mit ihrer Hilfe die Masse und modifiziert sie entsprechend ihrer Interessen.

Samstag, 10. Juni 2023

Freiheit, nach der Menschen streben

Vielleicht besteht Freiheit in der vollkommenen Anonymität einer Hochhaussiedlung
Was also ist diese Freiheit? Ein Meme im Geist eines jeden Menschen. Sie ist nichts und alles. Ein Gedanke, der sich festsetzt und fortan in das Leben integriert werden will. Er zwingt seinen Wirt, tätig zu werden. Für den einen besteht Freiheit in einer Weltreise, ein anderer möchte einen großen Garten bewirtschaften, der dritte tagelang im Bett liegenbleiben, wieder andere sich irgendwo engagieren oder jedes Wochenende mit Freunden feiern gehen. Die Möglichkeiten, Freiheit zu empfinden, sind nahezu grenzenlos. Sie sind für jeden Menschen verschieden, auch wenn es zahlreiche Schnittmengen gibt. Kennzeichen aller Freiheiten innerhalb einer Gesellschaft ist ihre weitgehende Komptabilität mit den Werten und Regeln dieser Gesellschaft. Freiheiten, die einer Gesellschaft zuwider laufen, können entweder gar nicht oder nur heimlich ausgelebt werden. Eine offene Inanspruchnahme dieser Freiheiten führt zu Konflikten, in denen beide Seiten versuchen, ihre kontroversen Werte durchzusetzen. Meist obsiegt die Gesellschaft, doch manchmal setzt ein Wertewandel ein, der neue Freiheiten gewährt oder stillschweigend geduldete Freiheiten entzieht.

Individuelle Gefühle

Festzuhalten bleibt, dass die meisten Freiheiten individuelle Gefühle sind. Mancher fühlt sich beim Motorradfahren frei, andere beim Rauchen. Und es gibt Menschen, die auf der Suche nach Freiheit um die Welt reisen und sie nie finden.

Deshalb ist die Frage wichtig: Was nimmt den Menschen ihre Freiheit? Alles, was ihre Aufmerksamkeit fordert. Jedes Ding, jedes Lebewesen. Wer einen Schlüssel verlegt, muss ihn früher oder später suchen und dafür Zeit aufbringen, in der er nicht frei ist, anderes zu machen. Entscheidet sich jemand für Kinder, werden sie ihn den Rest seines Lebens beschäftigen. 

Liegt nicht gerade in der Entscheidung für etwas eine große Freiheit? Ja, die Freiheit liegt in der Entscheidung. Doch was daraus folgt, ist Unfreiheit. Jede Entscheidung engt das Leben ein wenig mehr ein. Wer sich zum Beispiel für eine Ausbildung oder ein Studium entscheidet, stellt die Weichen für den weiteren Lebensweg. Auch äußere Umstände wie große Kälte oder Hitze, Hunger oder Durst lassen die persönliche Freiheit gegen Null gehen. Die Arbeit für die notwendigen Lebensgrundlagen überwiegt. 

Freizeit ersetzt Freiheit

Vielleicht ist die einzig verlässlichen Aussage, die sich allgemein über Freiheit treffen lässt: Die potentielle individuelle Freiheit nimmt proportional zur Abnahme der Arbeit für die notwendigen Lebensgrundlagen zu. Potentiell ist die Freiheit, weil sie sich nicht unbedingt in vollem Umfang verwirklicht. Nicht jeder schöpft seine Freiheit vollumfänglich aus und nicht alle empfinden ihre Situation als eine von Freiheit geprägte. Möglicherweise bleibt in einer Gesellschaft nur als Freiheit übrig, was landläufig als Freizeit bezeichnet wird. Zeit, die für die sogenannten angenehmen Seiten des Lebens reserviert ist, dafür aber mit organisierten Vergnügungen, Familienbesuchen, Besorgungen, Ausflügen, Feiern und ähnlichem verplant wird. Wirklich freie Zeit ist selten geworden. Jeder beschäftigt sich mit den Dingen und Menschen, die ihn unmittelbar umgeben.

Enthaltsame Menschen vernichten den Konsumismus

Der größte Freund der Freiheit ist deshalb die Einfachheit. Wer wenig besitzt, muss kaum Lebenszeit darauf verwenden, Dinge zu verwalten und zu pflegen. Er könnte sich frei fühlen. Doch in der Gesellschaft wird er sich eher für gescheitert und ausgeschlossen halten. Woher kommt diese Diskrepanz?

Die Einfachheit ist zugleich der größte Feind des Konsumismus. Wenn die Masse der Menschen enthaltsam leben würde, könnte der Konsumismus nicht überleben. Er verlöre seine Berechtigung. Deshalb bedient er sich eines Tricks: Er hackt sich in die Gedanken der Menschen, sozusagen ihr Betriebssystem und manipuliert das Freiheits-Meme von innen heraus.

Rauchen wurde zum Inbegiff der emanzipierten Frau

Den Menschen wird suggeriert, die größte jemals zu erreichende Freiheit bestehe im Konsumieren. Dazu gibt es ein berühmtes Beispiel: Die Tabakindustrie erkannte in den 1920er Jahren, dass sie ihren Umsatz mit einem Schlag verdoppeln könnte, wenn auch Frauen rauchen würden. Nur galt Rauchen damals als unweiblich und unschicklich für Damen. Deshalb lancierten die Unternehmen eine PR-Kampagne. Die zielte darauf ab, Rauchen als Ausdruck von Emanzipation zu verkaufen. Sie versprach Frauen also Freiheit durch den Konsum von Zigaretten. Sehr erfolgreich, wie rückblickend zu erkennen ist. Aktuell rauchen durchschnittlich mehr Frauen als Männer. 

Die Menschen fallen auf die Versprechungen des Konsumismus herein, weil sie seit Anbeginn ihres Daseins konsumieren müssen. Nur treten heute die notwendigen Lebensgrundlagen zugunsten eines wahren Kaufrausches in den Hintergrund. Die Menschen konsumieren, um die Gefühle von Freiheit und Befriedigung zu erleben, die ihnen versprochen werden. Da diese Gefühle aber nur kurzzeitig wirken, müssen sie ständig erneuert werden. So feiert der Konsumismus seit Jahrzehnten einen globalen Triumphzug, indem er sich als die Freiheit ausgibt, nach der Menschen streben.

Dienstag, 23. Mai 2023

Eine Scheindemokratie beruhigt die Massen

Die Demonstrationsfreiheit wird allzuoft mit Demokratie gleichgesetzt

Ebenso verhält es sich mit der modernen Kommunikation. Computer und Smartphone sind heute absolut notwendige Geräte, um in der Gesellschaft leben und arbeiten zu können.

Es gibt kein Entrinnen vor dem Konsumismus

Also gibt es verschiedene Ebenen notwendiger Lebensgrundlagen. Zum einen die körperliche mit den Bedürfnissen nach Nahrung, Kleidung und Wohnung. Zudem aber die gesellschaftliche, um eine Teilhabe zu ermöglichen, zu der Bildung, Kultur sowie zivilisatorische Errungenschaften zählen. 

Während die körperlichen Lebensgrundlagen auch weiterhin notwendig bleiben, jedoch für ihre Befriedigung immer weniger Zeit aufgewandt werden muss, liegt der Fokus der weltweit meisten Menschen inzwischen auf der Erarbeitung der gesellschaftlichen Lebensgrundlagen. Sie strengen sich an, um mithalten zu können.

Der Konsumismus setzt also auch in den notwendigen Lebensgrundlagen ständig neue Trends, um sich am Leben zu erhalten und die Menschen in gesellschaftliche Abhängigkeit zu bringen, damit ihre Freiheit beschränkt ist und sie im Sinne des Konsumismus funktionieren müssen.

Der Konsumismus ist gefräßig. Er vertilgt die Erde. Da er alles ist, gibt es kein Entrinnen vor ihm. 

Eine Revolte der Werte

Die Menschheit kann nur hoffen, ihn eines Tages einzudämmen. Selbst Protestbewegungen konsumieren für ihren Protest. Wer sich auf der Straße festklebt, braucht Kleber, später vermutlich neue Kleidung. Journalisten, die darüber berichten, benötigen Stift, Papier, Elektrizität für Computer und Smartphones, Mobilität, um an den Ort des Geschehens zu eilen. Jeder Atemzug dient dem Konsumismus.

Wie lässt er sich eindämmen? Nur durch Werte. Die Gesellschaft muss eine Revolte der Werte entfachen. So wie bei Buschbränden Feuer mit Feuer bekämpft wird, müssen die Menschen Werte den Werten gegenüberstellen. Das ist verdammt schwer.

Die Inszenierung einer Scheindemokratie

Der vielleicht wichtigste Wert für diese Revolte ist Freiheit. Doch dafür muss der Mensch wissen, was Freiheit ist und ob er je frei sein kann.

„In der Argumentation gegen das ‹Leben an der Kette› und auf den ‹Ruderbänken der Galeere›, gegen den politischen und religiösen Despotismus, gegen alle Herrschaft-Knechtschaft-Strukturen stellte Hegel das grundsätzliche Prinzip auf, dass freie Menschen ausschließlich Gesetzen folgen, die sie sich selbst gegeben haben“, heißt es in der Hegelbiografie von Klaus Vieweg (C.H. Beck 2020).

Mit Blick auf die französische Revolution von 1789 meinte Hegel damit sicher eine republikanische Freiheit im Gegensatz zur Unfreiheit der absoluten Monarchie. Denn er sagte auch: „Ohne Einwilligung des Volkes keine Freiheit.“

Im Zeichen demokratischer Strukturen stellt sich die Frage anders: Wieviel Freiheit ist im Laufe der Jahre noch geblieben? Denn mit einer regelmäßigen Stimmabgabe allein ist es nicht getan. Was bedeutet Freiheit also heute und wieviel Freiheit ist Menschen überhaupt möglich? 

Churchill sagte einmal, Demokratie sei die beste aller schlechten Regierungsformen. Vielleicht, weil die gewählten Volksvertreter nicht das alleinige Sagen haben, sondern wie bereits beschrieben, ihnen die Bürokratie fortwährend im Nacken sitzt. Zudem wird Politik von Masse, Lobbyismus und Public Relations beeinflusst. Die hehre Absicht der Volksbeteiligung stößt an ihre Grenze, wenn sich das Volks erstens kaum beteiligt und diejenigen, die sich gegen den Willen der Politik engagieren, zweitens zunehmend missachtet werden. 

Die westliche Welt befindet sich in einer Phase der Postdemokratie. Dieser Begriff wurde bereits im Jahr 2004 vom britischen Politikwissenschaftler Colin Crouch in seinem gleichnamigen Buch geprägt. Darunter versteht er „ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden. Es sind Wahlen, die sogar dazu führen können, dass Regierungen ihren Abschied nehmen müssen, in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, dass sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende, ja sogar apathische Rolle, sie reagieren nur auf die Signale, die man ihnen gibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht, von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.“

Wem kommt das nicht bekannt vor? Schlimmer noch: Zur Beruhigung der Massen werde eine Scheindemokratie inszeniert.

Hier schließt sich ein Kreis: Kulturindustrie, Konsumismus, Postdemokratie. Die moderne Welt wird von diesen drei Begriffen repräsentiert. Deshalb noch einmal die Frage: Wieviel Freiheit bleibt noch?


Mittwoch, 17. Mai 2023

Freiheiten verschwinden klammheimlich

Wie die Ritter auf diesem Bild, müssen sich Menschen für die Verteidigung ihrer Freiheiten rüsten
Das ist ein Widerspruch des gängigen Freiheitsverständnisses. Gilt der Einzelne in der westlichen Gesellschaft doch als weitgehend frei. Dabei wird allerdings vergessen, dass Freiheit immer nur im gesellschaftlichen Rahmen gewährt werden kann. Um diesen Rahmen herum wird allerdings viel getan, um die Illusion von Freiheit entstehen zu lassen und aufrecht zu erhalten. So wählt der Einzelne selbst, wieviel Zwängen er sich aussetzt und wie hoch er die Mauern um sich her aufrichten möchte. Dabei gilt: Je mehr Teilhabe an den Angeboten der Gesellschaft, desto größer die geforderte Anpassung und damit einhergehende Einengung. Denn die Leistungen der Gesellschaft, wie zum Beispiel Sicherheit, kosten die Freiheiten der Bürger.

Die Gesellschaft muss sich ständig zeigen

Der Einzelne trifft seine Wahl und verstrickt sich damit immer tiefer im Netz der Gesellschaft, das manchmal auch als bequeme Hängematte bezeichnet wird. Doch auch eine Hängematte ist bei genauerer Betrachtung ein Netz. Er fügt sich, indem er Kredite aufnimmt, ein Haus baut, Familie gründet. Von da an hat er keine Wahl mehr. Der Mensch muss in der Gesellschaft funktionieren, um seine Verpflichtungen zu erfüllen und sein Leben fortführen zu können. Ansonsten wird er schleichend herausgedrängt.

Im Gegenzug ist die Gesellschaft omnipräsent. Sie muss sich ständig zeigen, damit die Menschen an sie glauben. Denn ein Staatsgebilde ist ohne den Glauben der Masse schlichtweg nicht existent. So etwas wie eine Nation denken sich die Menschen ja nur aus. Ohne ihren Glauben an ein solches Konstrukt gibt es den Nationalstaat nicht. Deshalb müssen auf öffentlichen Gebäuden Fahnen wehen, müssen Polizisten in Uniform durch die Straßen laufen, müssen Medien ständig berichten. Wenn der Staat im Gespräch ist, versichert er sich seiner eigenen Existenz und zeigt sie vor den Leuten. Die Umwandlung von einer bloßen Idee zu einem Konstrukt, das Bestand hat, findet in den Köpfen der Menschen statt. Nur solange sie daran glauben, dass ihre Handlungen, beispielsweise das Mitführen eines Personalausweises und das Einhalten von Gesetzen, einen Nutzen haben, ist der Staat existent und Leute werden zu seinen Bürgern.

Es bleibt nur die Freiheit des Konsumierens

Die Menschen gehen einen Deal mit sich selbst ein, wie sie auch, wenn sie einen Gott anrufen, zu sich selbst beten. Der Deal lautet: Gebe Freiheit gegen Teilhabe und Schutz. Vielleicht meinen die Menschen diesen Deal, wenn sie davon sprechen, ihre Seele dem Teufel zu verkaufen, denn sie lassen sich auf einen Pakt ein, der ihnen in der Masse materiellen Wohlstand gegen geistige Armut einbringt. Natürlich gibt es Bildung und entsprechende Einrichtungen zur Vermittlung von Wissen. Aber die sollen Bürger nur lehren, was sie im Sinne des Systems wissen müssen. Nicht von ungefähr werden die Universitäten ohne viel Aufhebens - und, bemerkenswert, ohne großen Protest - von einem Hort des freien und kritischen Denkens zu mehr oder weniger weiterführenden Schulen degradiert. Obwohl die meisten Studenten schon vorher selten über den Tellerrand ihres Lernpensums geschaut haben, hätten sie aber wenigsten die Möglichkeit dazu gehabt, was den heutigen Studenten fast vollkommen verwehrt bleibt.

Freiheiten verschwinden klammheimlich im Dschungel der Bürokratie. Im Grunde bleibt nur eine Freiheit erhalten, die auch von Staat und Gesellschaft nach Kräften gefördert wird: Die Freiheit des Konsumierens. Diese Freiheit meinen Menschen auch, wenn sie davon sprechen, frei zu sein. Denn in diesem Bereich haben sie tatsächlich alle Freiheiten, vorausgesetzt, sie verfügen über ausreichend Geld. Was das Pendel in den Bereich der Scheinfreiheit ausschlagen lässt.

Die Reaktion auf gesellschaftliche Leere

Die Werte einer Gesellschaft wandeln sich mit ihrem Entwicklungsstadium. Eine Aufbauphase charakterisiert sich durch Fleiß und hohe Arbeitsmoral. Wohlstand wird geprägt von Überschuss und vermehrtem Besitz. Die Konsumgesellschaft geht über diese Abschnitte hinaus. Sie ist eine Phase der Stagnation, in der es kaum Visionen und gesellschaftliche Ziele gibt. Es bleibt nur, das zu erhalten und auszubauen, was längst da ist. Im Grunde eine Phase großer Langeweile, in der Angst vor dem Abstieg umgeht, sich aber niemand verantwortlich fühlt, den Status quo zu verändern. Schließlich geht es allen mehr als gut. 

Der Konsumismus ist die Reaktion auf gesellschaftliche Leere, in der niemand inhaltlich etwas beizutragen hat, weil keinem anderes einfällt, als stur weiterzumachen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Der Staat wir nur noch verwaltet, er ist nicht mehr zu Innovationen fähig.

Welche Werte bringt der Konsumismus hervor? Den Wert des Materialismus. Geld wohnt ein Zauber inne. Alles ist käuflich. Auch Gesundheit und Jugend. Schönheit kann per Katalog erworben werden. Kinder lassen sich planen und optimieren. Das Leben ist ein einziger Event. Selbst das Alter lässt sich hinausschieben, auch Greise dürfen noch eine jugendliche Attitüde an den Tag legen. Darüber hinaus?

Montag, 15. Mai 2023

Ein Mechanismus zum Umverteilen von Geld

Obwohl Geld oft keine Motivation für mehr Arbeit darstellt, ist es doch das wichtigste Bindeglied einer Gesellschaft
Das lässt sich heute weltweit beobachten. Unabhängig vom jeweils herrschenden System. Die Werkzeuge sind derzeit der Konsumismus sowie die Übernahme und Analyse von Daten. War es früher hauptsächlich Religion, die Werten sichtbare Gestalt gegeben hat, sind die modernen Wahrzeichen Konsumtempel und soziale Medien. Deren Versprechen auf Glück erfüllen sich nicht erst im Jenseits, sonder im Hier und Jetzt. Es ist dieses nachprüfbare Versprechen, das die Heilsbotschaft des Konsumismus und des Datentransfers glaubwürdig und authentisch machen. 

Konsumismus lenkt die Gedanken der Menschen

Überraschend spielt Geld nicht eine gleichwertige Rolle. Inzwischen ist bekannt, dass es für die meisten Menschen keine Motivation darstellt, immer mehr Geld anzuhäufen. Irgendwann setzt das Gefühl ein, genug Geld zu haben. Was also ist der Grund für den Glauben an Konsumismus und den Markt?

Es funktioniert. Jeder kann es leben. Beides ist fassbar, leicht zu erklären und sogar noch leichter zu erlernen. Vor allem aber verschafft es Anerkennung und Ansehen.

Seit der Mensch vor Millionen von Jahren begonnen hat, die Erde zu bevölkern, ist es innerhalb einer Gruppe von Vorteil, ein besonderer Mensch zu sein. Der beste Jäger, die beste Sammlerin, der Stärkste, der Geschickteste oder sonst ein außergewöhnliches Mitglied der Gruppe. Heute ist es nicht anders. Jeder Mensch möchte im Mittelpunkt stehen. Das ist die entscheidende Motivation für viele, sich anzustrengen: Anerkennung. Zumal Anerkennung oft mit Macht über andere Menschen einhergeht, was die Motivation zusätzlich steigert.

Der Konsumismus ist ein weltweites Phänomen. Er ist die vielleicht erste und einzige globale Bewegung, die alle Menschen hinter einer Idee vereint. Wie kommt es dazu? Weshalb setzt sich gerade diese Idee durch? Zum einen, weil der Mensch das Konsumieren im weitesten Sinne von Anbeginn gewohnt ist. Er musste sich immer um seine notwendigen Lebensgrundlagen bemühen. Deshalb haben die Menschen von Natur aus diese Gemeinsamkeit.

Doch es steckt mehr dahinter. Der Konsumismus ist keine Ideologie, die irgendeine Staatsform infrage stellt. Im Gegenteil: Er passt sich an jede Regieruns- und Lebensweise an. Sein einziges Ziel ist der Verkauf seiner Güter. Ansonsten mischt er sich in nichts ein, jedenfalls nicht direkt und offensichtlich. Er hat seine eigenen Werte, die denen von Staaten nicht widersprechen. Es geht um maximale Gewinne, bei minimalen Einsätzen. Dagegen hat kein Staat der Welt etwas einzuwenden.

Konsumismus vereinheitlicht die Welt

Unter seiner Oberfläche ist der Konsumismus allerdings weit mehr als nur ein Mechanismus zum Umverteilen von Geld. Er bindet die Menschen zum Beispiel an Arbeit, damit sie sich seine Waren leisten können. Darüber hinaus vermarktet er ihre Lebenszeit. Jed mehr sie konsumieren, desto weniger Zeit bleibt zum Nachdenken, für Protest und Revolte. Der Konsumismus lenkt die Gedanken der Menschen, ihr Handeln und Fühlen in nur eine Richtung. Sie erfüllen sich Wünsche und Träume, die der Konsumismus ihnen vorgibt. Die meisten davon sind nicht notwendig.

Der Konsumismus mischt sich in alle menschlichen Lebensbereiche ein. Er ist zu einer bestimmenden Kraft der Gesellschaft und des Lebens geworden. Äußere Zeichen seiner Macht sind die Läden und Geschäfte, die überall auf der Welt die Stadtbilder dominieren. Mehr und mehr gleich sich Städte durch den Einfluss international operierender Ketten immer weiter an. Nicht von ungefähr wurde McDonalds lange Zeit scherzhaft als amerikanische Botschaft bezeichnet.

Dennoch stellt der Konsumismus zunächst keine Gefahr für irgendeine Gesellschaftsform dar. Schließlich schafft er lediglich ein Angebot. Niemand wird von ihm gezwungen, zu konsumieren. Jedenfalls nicht über die notwenigen Lebensgrundlagen hinaus. Der Konsumismus scheint eine vollkommen demokratische und friedliche Institution zu sein. Sein einziger Zweck ist die eigene Erhaltung und Ausbreitung. Allerdings überzieht er dadurch die gesamte Erde mit einem Netz aus gut sichtbaren Handelszentren, die durch Zusammenschlüsse immer einheitlicher werden und damit landestypische Unterschiede verwischen.

Der Konsumismus vereinheitlicht die Welt. Selbst ein Land wie China, das nach eigenem Selbstverständnis kommunistisch geführt wird, ist im Grunde konsumistisch orientiert. Den meisten Bürgern kommt es weniger auf unumschränkte Freiheit, als auf unbeschränkten Konsum an. Dafür sind sie bereit, sich dem Staat unterzuordnen und darüber hinaus viel zu arbeiten. Wie auch die Menschen in kapitalistisch oder sonst wie geführten Staaten. Nur wo der Konsumismus verweigert wird oder nicht gut funktioniert, revoltiert die Masse. Solange sie aber das Gefühl hat, Teil des globalen Konsumismus zu sein, schweigt sie. 

Der Wert eines Menschen lässt sich beziffern

Wie konnte sich der Konsumismus unumschränkt durchsetzen? Er folgt auf das Zeitalter der Ideologien, die sich spätestens mit dem Untergang des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion und weiten Teilen der Welt bis nach Afrika und Südamerika allesamt erledigt haben. Es gibt nur noch Parteien, es werden Abgeordnete gewählt. Doch unterscheiden sie sich praktisch kaum noch voneinander. Regierungen sind nur noch Institutionen zur Verwaltung eines Landes. Themen werden von Lobbyisten und Marketingagenturen gesetzt, deren wichtigstes Hilfsmittel Umfragen sind, mit denen abgefragt wird, was die Masse bewegt und wie zufrieden sie ist. Es gibt weder Klassen, noch Klassenkämpfe. Keiner setzt sich mehr für irgendwelche politischen Theorien ein. Es gibt nur noch Marktteilnehmer, die sich nach ihrem Einkommen unterscheiden sowie nach Zufrieden- und Unzufriedenheit. 

Die gute Nachricht: Auf dem Markt sind alle Menschen gleich, er unterscheidet nicht nach Rasse und Religionszugehörigkeit. Der Markt qualifiziert nach vorhandenen Mitteln. Insoweit unterscheidet er die Menschen, aber er grenzt sie nicht aus. Jeder bekommt, was er sich leisten kann. Allerdings ist ihm der Mensch auch nicht mehr wert, als sein jeweiliges Vermögen. Der Wert eines Menschen lässt sich im Konsumismus mit einer Zahl beziffern.