Posts mit dem Label Politik werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Politik werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 14. Januar 2024

Die Ignoranz des wertefreien Raumes

Eine egalitäre Elite stürzt von einem Hochhaus in die aufbegehrende Meute auf der Straße.
Sind Bürger nur angestellte Mitarbeiter in dem Unternehmen „Staat“, steht es ihnen frei, zu kündigen. Genau das geschieht augenblicklich. Ein wesentlicher Teil der Bevölkerung kehrt Deutschland den Rücken zu. Sei es als Auswanderer oder durch innere Immigration. Die Geschichtslosigkeit wird zum Problem. Was bleibt, wenn der konsumorientierte Sozialstaat scheitert? Nichts, denn die Menschen erzählen sich keine gemeinsamen Geschichten über Deutschland. Sie schweigen über die Vergangenheit, wie sie es in der BRD gelernt haben. Da Werte aber Instanzen persönlicher Erfahrungen und Erlebnisse sind – auch als Nation – verfügt Deutschland tatsächlich nicht über historisch gewachsene Werte. Schlimmer noch: Die seit Jahrzehnten zunehmende Abstraktion der Gesellschaft ist außerdem eine Abkehr von Werten, denn auch sie werden soweit abstrahiert, dass letztlich nur noch der Aspekt der Nützlichkeit eines Menschen übrig bleibt. Doch wenn das leistungsmäßige Funktionieren in einem System der höchste Wert ist, auf den sich die Gesellschaft hauptsächlich verständigt, ist sie sehr anfällig gegen jede Art neuer Ideen, die verfangen, sobald das ursprüngliche System an Kraft verliert, denn es wirkt nur in eine Richtung und kann daher von anderen Seiten sehr leicht aus der Balance gebracht werden. 

Prallelgesellschaften verhalten sich parasitär

Menschen, die nach Deutschland migrieren, finden sich in einem beinahe wertefreien Raum wieder. Dadurch fehlen ihnen Werte zur Orientieren, um in der neuen Gesellschaft anzukommen. Von den Menschen wird nichts erwartet, außer Formulare auszufüllen. Da sie nichts vorfinden, als Bürokratie (die ihnen als eine der ersten Nachrichten von ihrem neuen Land eine Steuernummer zukommen lässt), leben sie in Ermangelung einer Alternative weiter nach ihren überkommenen Werten, die sie aus ihrer alten Heimat mitbringen, denn sie bekommen nicht das Gefühl, in Deutschland meine es einer ernst mit ihnen. Das führt zu Parallelgesellschaften. Freiheit die nur als Abwesenheit von Werten definiert ist, verhindert Ankommen. Prallelgesellschaften verhalten sich aber parasitär, weil sie das Gastland ohne Werte nur als Nährboden empfinden, den sie nach ihren eigenen Werten bestellen und abernten dürfen. Es ist eine natürlich Reaktion. Ähnlich wüteten einst europäische Imperialisten in ihren Kolonien, denn sie hielten die dortigen Völker für Gesellschaften ohne akzeptable Werte, denen man die Zivilisation erst beibringen musste. Dagegen überlässt das heutige Deutschland selbst aus freien Stücken seinen neuen Mitbürgern einen weitgehend leeren Raum, um dort Werte nach Gutdünken zu implementieren. Politik und Gesellschaft beschränkt sich darauf, über diese für sie fremden Werte zu klagen, ohne zu begreifen, dass die Migranten lediglich die ihnen aus Ignoranz zufallende Möglichkeit nutzen.

Eine Demokratie, die Extreme nicht aushält, ist keine Demokratie

Sie sind nicht die einzigen. Auch extreme Gruppierungen sehen ihre Chance darin, durch den zunehmenden Werteverlust in der Gesellschaft zu neuer Stärke zu gelangen, in dem sie sich vor allem gegen die Werte der Parallelgesellschaften in Deutschland positionieren. Dazu benötigen sie interessanterweise überhaupt keine eigenen Werte. Sie spielen mit Ängsten und der einzige Wert, den sie anbieten, ist Sicherheit. Der genügt, die verunsicherte Gesellschaft in großen Teilen auf ihre Seite zu ziehen. Hauptursache dafür ist mangelnde Identität der Bevölkerung mit ihrem Land. Die Gesellschaft ist dadurch anfällig für die Versprechungen extremer Gruppierungen. Da niemand weißt, wofür Deutschland steht, liegt es für die Gesellschaft nahe, mehrheitlich nach neuen Angeboten und vor allem Werten zu suchen. Der kollektive Strom beginnt zu mahlen – und die Werte, die dabei herauskommen, bestimmen die Geschicke Deutschlands eine gewisse Zeit lang. Zweitrangig ist es, wie diese Werte angesehen sind. Solange sie angenommen werden, besitzen sie Gültigkeit. Wer mit ihnen nicht einverstanden ist, muss sich dennoch arrangieren – oder Deutschland verlassen. Noch könnte diese Entwicklung natürlich beeinflusst werden, indem die Gesellschaft dazu gebracht wird, andere als die von extremen Gruppierungen gewünschten Werte aus dem kollektiven Strom zu ziehen. Das gelingt aber nur mit aktiver positiver Arbeit und nicht einer jammervollen Opposition, die aus einer noch vorhandenen Machtposition heraus erwägt, vorsorglich extreme Gruppierungen zu verbieten. Eine Demokratie, die Extreme nicht aushält und die Gesellschaft nicht kreativ in einer Balance halten kann, ist keine Demokratie und wird weiter an Werten und damit Zustimmung verlieren.

Freitag, 30. Juni 2023

Alle zielen auf die Masse

Die Macht liegt nicht bei der Masse, sie steht der Masse vor
Als nächstes muss das Verhältnis zwischen Macht und Masse näher beleuchtet werden. Die Masse hat keine Macht. Sie verleiht auch nicht Macht. Aber Macht beruft sich auf Masse und dadurch fällt der Masse die Aufgabe zu, Macht zu legitimieren. Zum Beispiel mittels Wahlen. Die Entscheidung zwischen verschiedenen Parteien hält den Anschein von Demokratie aufrecht, auch wenn die eigentliche Macht längst bei Bürokratie, Lobbyisten und Marketingabteilungen liegt. Die Masse erhält die Möglichkeit als Masse zu wirken. Bei den Wahlergebnissen werden die individuellen Entscheidungen der Einzelnen – denen oft komplizierte, langwierige Überlegungen zugrunde liegen – auf massetaugliche Prozentzahlen reduziert, die wiederum in Sieg und Niederlage Einzelner aufgelöst werden. Doch geht nach einer Wahl wirklich Macht von einer Partei auf die andere über, von Person zu Person?

Die wirkliche Macht ist dezentral

Nein. Macht ist ein Kontinuum, bis sie vollkommen zusammenbricht und neu definiert werden muss. Sie wird von Generation zu Generation weitergegeben – in Familien, Unternehmen und Staaten. Präsidenten kommen und gehen, sie repräsentieren lediglich einen Abschnitt gewisser Machtlenkung. Die Macht selbst bleibt davon unberührt. Gesichert in den Strukturen von Organisationen gibt sie Oberhäuptern das Gefühl, sie in Händen zu halten. Doch dürfen die Anführer der Menschen Macht nur repräsentieren. 

Die wirkliche Macht ist dezentral. Sie verteilt sich auf Amtsstuben und Büros. Geleitet werden die Menschen, die dort Macht ausüben, von Werten, die von der Gesellschaft anerkannt sind oder sich gerade dort entwickeln. Da die Masse Werte setzt, lenkt sie in gewissem Sinn die Ausübung von Macht, ohne selbst ein Machtfaktor zu sein. Vielmehr ist sie ein Orientierungspunkt, der umso wichtiger wird, je mehr das „Denken“ der Masse durch Umfragen und ähnliche Analysen sichtbar gemacht werden kann. Es kommt in Politik, Wirtschaft und im Internet darauf an, mit den richtigen Keywords zu arbeiten, um die Masse zu erreichen. Auf diese Weise bestimmt sie die Agenda einer Gesellschaft.

Kräftemessen um Akzeptanz

Hierin findet sich auch der Grund, weshalb Bürokratie selbst radikalste Wertewandel fast augenblicklich vollziehen kann. Da ihre Angehörigen Teil der Masse sind, spürt sie Veränderungen bereits vor ihrer Verwirklichung und kann sich daher schon während der Entwicklungsphase auf sie einstellen. Das betrifft die Besetzung von Stellen genauso, wie Verwaltungsrichtlinien und die Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen. Die Bürokratie ist vorbereitet, wenn der Wertewandel Fuß fasst. Der öffentlichkeitswirksame Auftritt von Politikern ist nur noch Show.

Wertewandel bestimmt die Richtung, in die sich eine Gesellschaft bewegt. Oft vollzieht er sich schleichend, manchmal auch rasant. Immer bringt er Veränderungen für die Menschen mit sich. Deshalb löst er Ängste und Abwehr aus, die auf alternativen Werten basieren. Die Masse liefert sich ein Kräftemessen um Akzeptanz. Dadurch verschiebt sich die Balance einer Gesellschaft im politischen Spektrum. Wenn die Masse unzufrieden ist, werden Werte neu gewichtet. 

Über den Einzelnen die Vielen erreichen

Natürlich vollzieht sich diese Neugewichtung nicht als plötzliche Revolution, sondern als kontinuierlicher Prozess. Dabei wird die Masse fortwährend von gesellschaftlichen Kräften manipuliert. Medien, Werbung, Internetformate, Parteien (um nur einige zu nennen): Sie alle zielen auf die Masse. Es geht um Legitimation, Überzeugungen, Aufmerksamkeit, Umsatz und Loyalität. Vor allem Politik und Wirtschaft wollen sich für ihre Interessen der Masse versichern. Dabei wenden sie sich mit ihren Botschaften an den Einzelnen, um die Vielen zu erreichen. Ein Widerspruch?

Dienstag, 23. Mai 2023

Eine Scheindemokratie beruhigt die Massen

Die Demonstrationsfreiheit wird allzuoft mit Demokratie gleichgesetzt

Ebenso verhält es sich mit der modernen Kommunikation. Computer und Smartphone sind heute absolut notwendige Geräte, um in der Gesellschaft leben und arbeiten zu können.

Es gibt kein Entrinnen vor dem Konsumismus

Also gibt es verschiedene Ebenen notwendiger Lebensgrundlagen. Zum einen die körperliche mit den Bedürfnissen nach Nahrung, Kleidung und Wohnung. Zudem aber die gesellschaftliche, um eine Teilhabe zu ermöglichen, zu der Bildung, Kultur sowie zivilisatorische Errungenschaften zählen. 

Während die körperlichen Lebensgrundlagen auch weiterhin notwendig bleiben, jedoch für ihre Befriedigung immer weniger Zeit aufgewandt werden muss, liegt der Fokus der weltweit meisten Menschen inzwischen auf der Erarbeitung der gesellschaftlichen Lebensgrundlagen. Sie strengen sich an, um mithalten zu können.

Der Konsumismus setzt also auch in den notwendigen Lebensgrundlagen ständig neue Trends, um sich am Leben zu erhalten und die Menschen in gesellschaftliche Abhängigkeit zu bringen, damit ihre Freiheit beschränkt ist und sie im Sinne des Konsumismus funktionieren müssen.

Der Konsumismus ist gefräßig. Er vertilgt die Erde. Da er alles ist, gibt es kein Entrinnen vor ihm. 

Eine Revolte der Werte

Die Menschheit kann nur hoffen, ihn eines Tages einzudämmen. Selbst Protestbewegungen konsumieren für ihren Protest. Wer sich auf der Straße festklebt, braucht Kleber, später vermutlich neue Kleidung. Journalisten, die darüber berichten, benötigen Stift, Papier, Elektrizität für Computer und Smartphones, Mobilität, um an den Ort des Geschehens zu eilen. Jeder Atemzug dient dem Konsumismus.

Wie lässt er sich eindämmen? Nur durch Werte. Die Gesellschaft muss eine Revolte der Werte entfachen. So wie bei Buschbränden Feuer mit Feuer bekämpft wird, müssen die Menschen Werte den Werten gegenüberstellen. Das ist verdammt schwer.

Die Inszenierung einer Scheindemokratie

Der vielleicht wichtigste Wert für diese Revolte ist Freiheit. Doch dafür muss der Mensch wissen, was Freiheit ist und ob er je frei sein kann.

„In der Argumentation gegen das ‹Leben an der Kette› und auf den ‹Ruderbänken der Galeere›, gegen den politischen und religiösen Despotismus, gegen alle Herrschaft-Knechtschaft-Strukturen stellte Hegel das grundsätzliche Prinzip auf, dass freie Menschen ausschließlich Gesetzen folgen, die sie sich selbst gegeben haben“, heißt es in der Hegelbiografie von Klaus Vieweg (C.H. Beck 2020).

Mit Blick auf die französische Revolution von 1789 meinte Hegel damit sicher eine republikanische Freiheit im Gegensatz zur Unfreiheit der absoluten Monarchie. Denn er sagte auch: „Ohne Einwilligung des Volkes keine Freiheit.“

Im Zeichen demokratischer Strukturen stellt sich die Frage anders: Wieviel Freiheit ist im Laufe der Jahre noch geblieben? Denn mit einer regelmäßigen Stimmabgabe allein ist es nicht getan. Was bedeutet Freiheit also heute und wieviel Freiheit ist Menschen überhaupt möglich? 

Churchill sagte einmal, Demokratie sei die beste aller schlechten Regierungsformen. Vielleicht, weil die gewählten Volksvertreter nicht das alleinige Sagen haben, sondern wie bereits beschrieben, ihnen die Bürokratie fortwährend im Nacken sitzt. Zudem wird Politik von Masse, Lobbyismus und Public Relations beeinflusst. Die hehre Absicht der Volksbeteiligung stößt an ihre Grenze, wenn sich das Volks erstens kaum beteiligt und diejenigen, die sich gegen den Willen der Politik engagieren, zweitens zunehmend missachtet werden. 

Die westliche Welt befindet sich in einer Phase der Postdemokratie. Dieser Begriff wurde bereits im Jahr 2004 vom britischen Politikwissenschaftler Colin Crouch in seinem gleichnamigen Buch geprägt. Darunter versteht er „ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden. Es sind Wahlen, die sogar dazu führen können, dass Regierungen ihren Abschied nehmen müssen, in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, dass sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende, ja sogar apathische Rolle, sie reagieren nur auf die Signale, die man ihnen gibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht, von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.“

Wem kommt das nicht bekannt vor? Schlimmer noch: Zur Beruhigung der Massen werde eine Scheindemokratie inszeniert.

Hier schließt sich ein Kreis: Kulturindustrie, Konsumismus, Postdemokratie. Die moderne Welt wird von diesen drei Begriffen repräsentiert. Deshalb noch einmal die Frage: Wieviel Freiheit bleibt noch?


Dienstag, 17. Januar 2023

Kulturindustrie zur Unterhaltung der Masse

 

Alle sitzen vor ihren Bildschirmen und starren auf Inhalte, die sie nicht mehr voneinander unterscheiden können
Werte brauchen Mehrheiten, um gelebt zu werden. Denn wenn nur einer am Freitag im Büro mit Jogginghose herumläuft, ist das lächerlich. Doch sobald mehr mitmachen, wird eine Bewegung daraus, wie der Casual Friday. Ein Demonstrant steht recht verloren auf der Straße. Tausende machen Stimmung und verschaffen ihren Forderungen gehört. So funktionieren Werte: Sie bieten sich der Masse an. Direkt aus dem kollektiven Strom: Dem Durchschnittstypen, der damit das Gesetz in die eigene Hand nehmen kann.

Keine Chance also für Vernunft? Die Masse ist nicht vernünftig. Sie ist laut, vulgär und weitgehend dumm. Doch alle Mächtigen fürchten die Masse, weil sie in letzter Konsequenz von ihrem guten Willen abhängig sind. Es war immer die Masse, die Umstürze und Revolutionen getragen hat. Die Masse entscheidet Wahlen. Sie ist es, um die Politik, Wirtschaft und Religionen buhlen.

Was genau aber ist die Masse?

Zunächst ganz allgemein eine sehr große Zahl von Menschen. Sie wird sichtbar bei Versammlungen, Konzerten, Sportveranstaltungen, Paraden und ähnlichen Ereignissen. Darüber hinaus bleibt sie im Hintergrund. Sie ist der einzelne Mensch vervielfacht. In ihr verwirklichen sich Gedanken in eine Richtung. Als würde tausendfach dasselbe Stück Treibholz aus dem kollektiven Strom gefischt. Der rohe, unreflektierte Wert wird von der Masse angenommen und wiedergegeben. Durch das Denken der einzelnen Menschen.

Der Gedanke, der den Wert trägt, verbreitet sich wie ein geistiges Lebewesen von Wirt zu Wirt. Das dauert seine Zeit, aber er infiziert eine ausreichende Anzahl. Natürlich sind einige Menschen immun und andere werden insofern „geheilt“, dass sie den Gedanken schlichtweg vergessen. Doch wenn ausreichend Menschen angesteckt werden, das heißt beeinflusst, gewinnt der Gedanke, der Wert unmittelbar an Bedeutung.

Um alles ein wenig zu beschleunigen, gibt es die so genannten Multiplikatoren. Stars, Sternchen, Berühmtheiten und selbstverständlich die Medien. Sie alle Bullen ebenso wie Politik, Wirtschaft und Religionen um die Masse. Doch anders als diese wollen Sie die Masse nicht beherrschen. Sie wollen die Kumpel der Masse sein. Gleiche unter Gleichen. Ihr Ziel ist die Verschmelzung mit der Masse, damit die Masse so sein will wie sie. Es geht um Uniformität des die Individualität betonenden Einzelnen als Teil der Masse oder vielleicht besser einer Massenkultur.

Die Kulturindustrie nimmt mehr und mehr Raum ein

Bereits Theodor Adorno sprach in den 1960er Jahren von der Kulturindustrie, deren einzige Aufgabe es sei, die Masse zu unterhalten und damit ruhig zu stellen. Doch auch eine Aufgabe der Propaganda sah er in den Produktionen von Sendeanstalten, Verlagen und Theatern.

Die Idee ist nicht neu. Schon die katholische Kirche vermittelt seit vielen hundert Jahren ihr Glaubens- und Weltbild vor allem durch Kunst, Architektur und Musik. Da die meisten Menschen damals nicht lesen konnten, wurde Ihnen auf diese Weise die Bibel nahe gebracht. Natürlich hatte die Kirche so die Deutungshoheit.

Die Kulturindustrie ist zu allen Seiten nachhaltig. Werke von Bach sind noch immer populär. Bei jedem Vortrag seiner Musik wird die christliche Botschaft verkündet – bis heute. Dasselbe gilt für Gemälde von Michelangelo sowie natürlich die Kirchen und Kathedralen überall in Europa und vielen Teilen der westlichen Welt. Das Medienkonzept der Kirche ist ein ein einzigartiges Propagandainstrument, dass die menschliche Kultur geprägt hat und noch immer prägt. Es übt sogar Einfluss auf Menschen aus, die nicht den christlichen Glauben angehören.

Die geschickte Verknüpfung von religiösen Werten mit medialer Präsenz verleiht der christlichen Kirche große Macht. Deshalb wurde ihr Konzept oft kopiert – von den Monarchien Europas über den Nationalsozialismus und die sozialistischen Diktaturen bis zu der Parteiendemokratie – ohne je erreicht zu werden.

Doch seit geraumer Zeit nimmt die Kulturindustrie mehr und mehr den Raum der Kirche ein. Kirchliche Gebäude dienen ihr sogar inzwischen als Eventlocations. Die Säkularisierung der Gesellschaft ist weit vorangeschritten.

Werte werden zu leeren Worten

Die Werte vieler Religionen werden zu leeren Werten. Das bedeutet, sie sind noch in der Gesellschaft bekannt, doch ihre Beweggründe und Inhalte geraten zunehmend in Vergessenheit. Sie werden zu regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen, die wie Weihnachten und Ostern Teil des Brauchtums sind, ohne die Menschen zu bewegen. Im Vordergrund stehen die Feiertage mit Essen, Trinken und ausgelassener Stimmung. Der Wert hat sich von einer religiösen Zeremonie zu einem Volksfest verändert. Leer sind die Werte deshalb, weil ihre Inhalte verloren sind und den typischen Notwendigkeiten des menschlichen Lebens Platz gemacht haben. Der Befriedigung des körperlichen Wohlbefindens.

Je älter eine Gesellschaft ist, desto mehr leere Werte sammeln sich in ihr an. Dabei werden sie oft von einem sinnhaften Tun zu einer sinnfreien Beschäftigung. Das Brauchtum ist ein Beispiel. Trachten und Tänze geben Gesellschaften Identität und Zusammenhalt. Heute sind sie Spektakel für Touristen und ein schwacher Abklatsch der Erinnerung, ein Nachhall früherer Zeiten für die Einheimischen selbst.

Leere Worte sind nichts und bedeuten vielen Menschen doch alles

Die Kulturindustrie fördert diese Entwicklung. So ist das Bild, dass viele Menschen von den Vereinigten Staaten von Amerika haben, grundlegend von der dortigen Filmindustrie geprägt. Sie entwarf die heroische Eroberung des Westens und den so genannten American way of life. Historische Fakten und die tatsächliche Situation des Landes spielten dabei kaum eine Rolle. Dabei wird wird zwar Glaubwürdig verspielt, aber ein Weltbild gewonnen. Die Kulturindustrie hat die Deutungshoheit über die Historie, Gegenwart und Zukunft der Menschheit errungen. Sie füllt leere Werte mit ihren eigenen Inhalten. So konnten auch kirchliche Feiertage zur reinen Konsum festen verkommen.

Die moderne Welt produziert unendlich mehr leere Werte. Vieles ist in Auflösung begriffen. Immer weniger Menschen engagieren sich ehrenamtlich für die Gesellschaft. Kaum jemand setzt sich noch außerhalb der eigenen Belange ein. Der Staat, repräsentiert durch Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Religionen, wird von der überwiegenden Mehrheit als inkompetent angesehen.

Der Schlamassel wird von den leeren Werten verursacht. Sie sind nichts und bedeuten vielen Menschen doch alles. In vorderster Reihe die Ereignisse der Kulturindustrie in Form von Musik, Film, Büchern, Spielen, Theater, Kunst, Events und einigen mehr. Die Menschen lassen sich beschäftigen, aber sie nehmen dadurch nicht aktiv an der Entwicklung ihrer Gesellschaft teil.

Montag, 24. Oktober 2022

Glaube heute

 

Eine grüne Wiese, auf der statt Blumen eine rote Schrift sprießt
Was ist Glaube? Was bedeutet Glaube für die Menschen? Glauben an was?

Es ist offenkundig: Die meisten Menschen wollen glauben. An irgendetwas. Gott vielleicht oder eine Nation oder wenigstens die Liebe. 

Der Glaube soll Ordnung in ihr Leben bringen, Orientierung, eine Art von Sinn.

Woran glaube ich? Dass es schwer ist, an etwas zu glauben, denn jeder Glaube wird auf die eine oder andere Weise missbraucht. Immer: Von dem einen oder anderen Menschen.

Den Vorhang der Gleichgültigkeit durchstoßen

Woran glauben die Menschen also heute? Der religiöse Glaube hat den Halt verloren. Ein politischer Glaube hängt weniger von Inhalten, als vom Charisma einzelner Personen ab. 

Unsere Zeit ist weder von Persönlichkeiten, noch von Ideen geprägt. Sie dümpelt vor sich hin. Doch darin liegt die Gefahr. Was wird aus dem Sumpf von Beliebigkeiten entstehen?

Wir müssen immer wieder den Vorhang der Gleichgültigkeit durchstoßen. 

Übrigens hängen Glaube und Moral eng zusammen.